[Bielersee –] Beunruhigende Geothermie-Messungen
15 | 03 | 2023 SchweizText: zvg | Ruben Rod 65448
15 | 03 | 2023 Schweiz
Text: zvg | Ruben Rod 6 5448

Bielersee – Beunruhigende Geothermie-Messungen

Vom 10. bis 31. März wird der Bielersee in hoher Lautstärke beschallt – derart laut, dass Taucher nicht tauchen dürfen. Grund dafür sind Messungen für ein Erdwärme-Projekt. Das bereits bewilligte Projekt beunruhigt die Fischergemeinde.


An der Wasseroberfläche wirken die Messungen unauffällig: Ein Lastkahn mit Kran fährt auf dem See sieben Linien ab und lässt ein Messgerät ins Wasser. An Land ist von der Aktion kaum etwas zu hören. Doch anders sieht es unter Wasser aus: Dort verursachen die Impulse eine enorme Lautstärke. Bis zu 194 Dezibel laut werden diese an der Schallquelle sein. Schall verursacht ab rund 120 Dezibel Beeinträchtigungen des Gehörs und Schmerzen. Daher ist es nicht weiter überraschend, dass während der Messperiode ein Tauchverbot geltend gemacht wird. Was für menschliche Taucher gefährlich ist, kann für Fische und andere Wasserbewohner auch nicht gesund sein.


Überrumpelte Fischer

Für groben Unmut sorgte der Umstand, dass Teile der Fischergemeinde erst aus Medienmitteilungen und aufgrund des angekündigten Tauchverbots von den vorgesehenen Messungen erfahren haben. Die Bewilligung durch das Berner Fischereiinspektorat war zu diesem Zeitpunkt bereits Tatsache. Auf eine schriftliche Anfrage antwortet Daniel Bernet, Bereichsleiter für technische Eingriffe, wie folgt:  «Auf einer Seefläche von rund 4 km2 vor Sutz – Tüscherz – Vingelz – Nidau werden sieben Linientransekte mit einem Abstand von je 200 m abgefahren und alle 40 m ein Luftimpuls erzeugt. Die Luftimpulse werden ausschliesslich in Wassertiefen >8 m Wassersäule emittiert. Eine minimale Distanz von 150 m zum Ufer wird eingehalten. Die Echos der insgesamt 484 Mini-Luftexplosionen werden mit Geophonen auf dem Land registriert. Eine analoge seismische Messung hat im Herbst 2021 auf dem Genfersee stattgefunden (…). Die Auswirkungen der Lärmbelastung durch die Luftimpulse auf die Fischpopulationen wurden auf dem Genfersee eng wissenschaftlich begleitet. Die Resultate zeigten, dass keine Mortalität bei den Fischen auftrat. Allerdings konnte eine Scheuchwirkung auf die Fischschwärme durch die Luftimpulse erkannt werden. Zudem zeigten physiologische Biomarker Stressreaktionen bei den untersuchten Fischen an. Rotaugen reagierten intensiver als Egli. Aufgrund dieser Datenlagen und nach Rücksprache mit unseren Genfer Kollegen haben wir die seismischen Messungen auf dem Bielersee unter Auflagen bewilligt.»

 Der von den Messungen betroffene Bereich des Bielersee. Quelle: www.waermeverbund-baspo-magglingen.ch

Der von den Messungen betroffene Bereich des Bielersee. Quelle: www.waermeverbund-baspo-magglingen.ch


Auswirkungen sind zu erwarten

Dass am Genfersee keine durch Schallwellen getöteten Fische festgestellt wurden, ist nur bedingt beruhigend. Zum einen handelt es sich dort um ein vielfach grösseres Gewässer mit einem enormen Wasservolumen. Die Ausweichmöglichkeiten für die Fische und das Verhalten der Schallwellen dürften anders sein als in der Badewanne Bielersee. Und zum anderen sind die gesundheitlichen Auswirkungen auf die Fische nicht klar. Ertaubte Fische zeigen möglicherweise ein unauffälliges Schwimmverhalten. «Petri-Heil» hat Roland Kurt, den Schweizer Spezialisten für die Akustik der heimischen Wasserwelt («Petri-Heil» berichtete in 05/20) gefragt, was er von diesem Projekt hält: «Ein Fisch besteht aus rund 80 Prozent Wasser, dazu kommt seine Schwimmblase, welche auch als akustischer Verstärker zum Hören dient. Noch dazu hält sich der Fisch im stark schallleitenden Element Wasser auf (4-mal stärker als Luft). Lärm durchdringt die Fische also auf brutalste Art und Weise! Eine kurzfristige oder sogar totale Schädigung des Innenohrs kann die Folge sein. Im extremen Fall könnte sogar die Schwimmblase der Fische platzen. So starke Druckwellen können Fische in der näheren Umgebung allein per se schädigen oder sogar töten. Ein weiterer Umstand ist jetzt noch die kältere Jahreszeit: Etliche Fische sind erst am Ende ihrer Winterruhe und schwimmen immer noch eher langsam umher. Sie werden aus ihrer Ruhe aufgeschreckt und herumgescheucht. Die Folge ist im Minimum massiver Stress. Auch die Folgen für Kleinstlebewesen (Nahrung für die Fische) ist durch diese Technik noch überhaupt nicht abzuschätzen. Die Wirtschaftlichkeit und neue Energieformen sind einmal mehr durchsetzungsfähiger als der Umweltschutz und unsere Fische.»

Nun bleibt zu hoffen, dass die Auswirkungen geringer ausfallen als diese Befürchtungen. Bist Du auf dem Bielersee unterwegs und machst Beobachtungen, die möglicherweise mit diesem Projekt in Zusammenhang stehen? Dokumentiere diese möglichst präzise und sachlich. Diese Informationen kannst Du an redaktion@petri-heil.ch übermitteln. 

 

6 Kommentare


Mauro Stotzer

17 | 03 | 2023

Man stelle sich mal die Diskussionen in der Schweiz vor, wenn jemand in einem Wald mit 194 Dezibel Messungen durchführen möchte. Einfach nur erbärmlich und traurig wie mit unseren Fischen und anderem Krebsgetier umgegangen wird. Ich würde dies sogar als Tierquälerei in höchstem Mass bezeichnen. Ach ja, und das Ganze noch legal..!

Antworten an: Mauro Stotzer

Eduard Huber

22 | 03 | 2023

Rot /Grüne Politik ! Sorry ist daber so !


Rolf Acklin

19 | 03 | 2023

Dass eine Fischereiverwaltung einen solchen Eingriff bewilligt, enttäuscht mich zu tiefst, wundert mich allerdings aufgrund meiner Erfahrungen als Fischereiaufseher nicht. Gut möglich, dass das zuständige Amt von übergeordneter Stelle angewiesen worden ist, diese Bewilligung auszustellen. Das nennt sich "Interessenabwägung"!


Martin

21 | 03 | 2023

Ich verstehe die Besorgnis, aber ich finde, man sollte auch die andere Seite sehen. Die ganze Welt spricht von CO2 reduzieren und Emissionen einsparen. Geothermie, wenn sie funktioniert, kann sehr viel dazu beitragen. Wenn diese Messungen erfolgreich sein sollten und man erfolgreich die Erdwärme bzw. die Wärme des Wasser nutzen kann, um bpsw. Häuser zu heizen, Strom zu erzeugen usw., dann finde ich es das Risiko wert. Man kann nicht immer nur reklamieren. Irgendwo sollte man auch dazu bereit sein, solche Projekte zu unterstützen. Bei der Wasserkraft reklamieren auch immer alle, aber den sauberen Strom daraus, beziehen alle gerne. Man kann nicht "dr Fünfer und s'Weggli ha".

Antworten an: Martin

Edurd Huber

22 | 03 | 2023

Entschuldigung, das finde ich jetzt einfach nur noch Traurig! Meine Wut könnte nicht grösser sein.......

Antworten an: Edurd Huber

Martin

24 | 03 | 2023

@Huber: Aber ist ja gar nicht sicher, ob die Fische Schäden davontragen. Im Genfersee wurde es auch gemacht und den Fischen geht es prima, wieso sollte es im Bielersee anders sein? Weil er weniger tief und kleiner ist? Und wenn man sich schon Sorgen um die Fische macht, dann müssten alle Echolote verboten werden, auch die der Sportfischer, grosse Kursschiffe dürften dann auch nicht mehr verkehren usw.. Diese Messung wird einmal durchgeführt und nicht jedes Jahr. Ich denke, die Fische werden es verkraften.


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