02 | 03 | 2012 | Schweiz | 0 | 5827 |
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«Eine attraktive Fischerei ist der Schlüssel»
Der Kanton Aargau als «Wasserschloss der Schweiz» spielt fischereilich und gewässerökologisch eine Schlüsselrolle für unser Land. Entsprechend wichtig ist ein starker Aargauer Fischereiverband (AFV). Dieser Herausforderung stellt sich Hans Brauchli seit seiner Wahl zum Präsidenten im April 2009 mit wachsender Wirkung.
Für unser Gespräch treffen wir uns in Rietheim, nicht weit vom Rhein, wo Hans Brauchlis Leidenschaft für Fische und Wasser begann. Er kam 1946 zur Welt und wuchs in Rekingen auf.
Sein Grossvater Albert wusste noch vom Lachsfang im Rhein zu erzählen. Als Hans unter seiner geduldigen Obhut die ersten Fische mit dem Haselstecken fing, da war die Wanderung der Rheinlachse in die Schweiz bereits durch den Kraftwerksbau unmöglich geworden.
Dennoch war die Fischerei nach heutigen Massstäben fantastisch! Entsprechend viel Zeit verbrachte der junge Hans am Fluss, als er mit elf Jahren endlich die ersehnte Jungfischerkarte bekam.
Sein Vater Max, damals ein bekannter Äschenspezialist, hatte dafür in Aarau eine Sonderbewilligung erwirkt. In einer Zeit ohne Fernseher und Computer war das Fischen ein populärer Zeitvertreib, und die Fänge wurden als wichtiger Beitrag zum Speisezettel geschätzt.
Brauchlis Künste liessen bald auch «alte Hasen» staunen. Mit einfachstem Gerät entlockte er dem Fluss viele und grosse Forellen, manche gegen 70 Zentimeter lang. Entsprechend hart ist es für Hans, was seither besonders mit den Flüssen geschehen ist.
Vielleicht ist ja diese Vision eines gesunden fischreichen Gewässers, wie er es noch erleben durfte, die Hans heute antreibt bei seiner oft schwierigen Arbeit.
Seine Karrieren
Eine zweite Faszination entwickelte Hans Brauchli für das Fliegen. Dank seiner handwerklichen Begabung und guter Noten erhielt er eine der begehrten Lehrlingsstellen als Mechaniker bei den Flug- und Fahrzeugwerken Altenrhein AG.
Hans Brauchli kam zur Oerlikon-Contraves in Zürich und stieg auf zum Leiter AVOR, Teilefertigung und Prüfung, in deren Paradeabteilung Raumfahrt. Er baute also mit an der Ariane-Trägerrakete und war auch zu Starts in Guyana eingeladen.
Den turbulenten Umbau der Oerlikon zur RUAG nahm er zum Anlass, sich frühzeitig pensionieren zu lassen. Ein Glücksfall für seinen Vorgänger Dölf Bolliger, der dadurch endlich einen Nachfolger fand, der das gewaltige Pensum schultern konnte. Brauchli hatte sich zuvor bereits seit 1990 im Vorstand des AFV und als Präsident des FV Zurzach einen Namen als «guter Mann» gemacht.
Selbst «Workaholic» Brauchli empfindet das Amt als fordernd: «Drei bis vier Mal pro Woche bin ich unterwegs für die Fischerei. Um nur schon die wichtigsten Dossiers im Griff zu behalten, braucht es ein 50-Prozent-Pensum.»
Er sagt das nicht, um Anerkennung zu ernten, sondern, weil ihn beschäftigt, wie sich die Erfüllung dieser zentralen Aufgabe langfristig sichern lässt. «Nebenbei lässt sich dieser Job nicht mehr seriös machen», ist Brauchli überzeugt, dessen Ausdrucks- und Arbeitsweise von seiner internationalen Tätigkeit geprägt sind.
Er sagt: «Ich würde sagen, erst nach zwei Jahren war ich wirklich drin im Job. Heute kenne ich alle ‹Player›, die Präsidenten und Obmänner, die Leute bei der Verwaltung, die Umweltschützer. Ohne diese Connections erreicht man nicht viel.»
Zu wenig «Manpower»!
Bei der Sektion Fischerei muss sich Brauchli bereits wieder umorientieren nach dem hastigen Abgang des Jagd- und Fischereiverwalters René U. Altermatt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Chemie mit Alain Morier, dem neuen Leiter der Abteilung Wald des Departements Bau, Verkehr und Umwelt, nicht stimmte. Hans Brauchli erlebt Morier viel präsenter als den «Kantonsförster» Kasper, der vor ihm dieses Amt bekleidete.
Das hat Brauchli gleich genutzt: «Wir haben uns auf einen Kurs für die Unterhaltsdienste verständigt, wo das fischverträgliche Holzen entlang der Gewässer vermittelt werden soll. Heute wird mit radikalem Kahlschlag immer noch viel zu viel kaputt gemacht! Mit dem Morier im Rücken liesse sich einiges bewegen, aber…»
Hans Brauchli kommt zur Sache: «Die Sektion Fischerei ist zu schwach dotiert! Alle die Dossiers lassen sich mit den drei Leuten schlicht nicht in der geforderten Qualität bewältigen. Mir gefällt auch nicht das Ungleichgewicht in den Ämtern! Das Zepter bei den Renaturierungen und Umgehungsgewässern haben heute klar die Leute der Abteilung Landschaft und Gewässer.
Leider sind dort viele Leute fachlich überfordert mit fischgerechter Renaturierung, oder es kümmert sie nicht. Es wird oft auf Teufel komm raus die Gewässersohle verbreitert. Es entstehen flache Rinnsale ohne Strukturen oder Unterstände. Das Höchste der Gefühle ist dann eine Steilwand für Eisvogel-Bruthöhlen. So ein Fiasko kann man an der Bünz besichtigen…»
Brauchli begann mit dem FV Zurzach schon vor Jahrzehnten, die Fischlebensräume in der Region systematisch aufzuwerten. Ihm tut es «im Herz weh», wenn heute viel Geld in endlose Planung und untaugliche «Massnahmen» gesteckt wird.
Für Brauchli sind «unqualifizierte Renaturierungen» genauso Etikettenschwindel wie Umgehungshilfen und Fischtreppen, die nicht funktionieren und trotzdem mit Ökostrom-Zertifikaten vergoldet werden.
Zeitraubende Grossprojekte
Die Konzessionserneuerungen der grossen Flusskraftwerke beanspruchen viel Zeit sowohl beim AFV und den betroffenen Vereinen als auch beim Amt: «Das braucht enorme Ressourcen, wenn man da fischereilich etwas erreichen will. Allein damit wäre die Sektion schon ausgelastet», schätzt Brauchli.
Er könne zum Glück bei diesen komplexen «Baustellen» weiterhin auf den unermüdlichen und «kampferprobten» Dölf Bolliger zählen. Dennoch funktioniert vieles nicht wie versprochen: Mit vielen Vorschusslorbeeren eingeweihte Umgehungsgewässer wie Ruppoldingen, Albbruck oder Wettingen erfüllen die Erwartungen bis heute nicht.
Umso wichtiger ist es jetzt, jene Projekte, die die Erwartungen erfüllen (z.B. Stroppel an der Limmat) genau zu studieren, um in Zukunft besser zu planen.
«Unsere gefiederten Freunde»
Auch wenn es viele lieber verdrängen, weil es ein kompliziertes und emotionsgeladenes Thema ist, Hans Brauchli ist bewusst: «Selbst wenn wir überall erfolgreich renaturieren, wenn die Fischtreppen alle funktionieren und wir grosszügig besetzen, dann sind da immer wieder die Vögel, die vieles infrage stellen.»
Er erklärt: «Unser kantonales Kormoran-Konzept ist relativ gut, aber es hapert an der Umsetzung. Bei mir am Rhein wird kaum ein Vogel geschossen. Auch wenn die massiven Einfälle seltener sind, es jagen täglich zehn, zwanzig Kormorane auf unseren 15 Kilometern, und das merkt man!»
Über die hakenschnäbligen Enten (Anm. d. Red. Gänsesäger) mag Brauchli zunächst nicht recht reden, doch dann: «Die Gänsesäger haben wir bisher auch als Verband vernachlässigt. Jetzt büssen wir dafür! Ja, das war eindeutig ein Versäumnis, das wir korrigieren müssen!»
«Unsere Zukunft steht und fällt mit den Jungfischern!»
Hans Brauchli hat dafür ein konkretes Beispiel vor Augen: «Wenn ich sehe, wie ein Beat Kappeler beim FV Zurzach die Jungen erreicht und etwas aufbaut, dann erkenne ich unsere Zukunftschance. Die ersten seiner Schützlinge sind bereits tragende Kräfte im Verein. Ja, wir bräuchten fünfzig Typen wie ihn, die es drauf haben und sich voll engagieren! Aber da träum ich! Ich weiss ja, wie viel Energie so eine gut geführte Gruppe kostet. Man braucht dafür Leute, die bereit sind, sich aufzuopfern!»
Damit sind wir bei einem Kernargument für Brauchli gelandet: «Natürlich nützt all der Aufwand nichts, wenn man den Jungen nicht attraktive Fischereimöglichkeiten anbieten kann. Ich rede nicht von Vollpackungen und Kapitalen, sondern von vernünftigen Fangchancen und einem unkomplizierten und bezahlbaren Zugang zur Fischerei innerhalb des Kantons!
Für mich ist logisch, dass neben allen Anstrengungen zur Verbesserung der Lebensräume auch die Bewirtschaftung angepasst werden muss. Wieso die Option Regenbogenforelle so leichtfertig aufgeben? Wieso die Chance Zander nicht stärker nutzen?
Wissen ist Macht
Der AFV-Präsident ist überzeugt, dass ständige Weiterbildung wichtig ist, um die Anliegen der Fischerei wirksamer zu vertreten: «Unsere Kurse werden gut besucht. 2011 gings um fischfreundlichen Gewässerunterhalt und das Verhalten bei Gewässerverunreinigungen. Das ist Know-how, das die Fischer sofort und konkret umsetzen können. Der Aufwand lohnt sich absolut.»
Nach all den schweren Themen lächelt Brauchli: «Auch die Grundausbildung ist eine erfreuliche Sache. Wir haben ja als AFV eine Vereinbarung mit dem Kanton und gewährleisten eine flächendeckende Versorgung mit Kurs- und Brevetierungsmöglichkeiten. 2011 haben zehn Instruktoren 703 Absolventen auf ihrem Weg zum SaNa begleitet. Martin Berner von der Fischerzunft Aarau hat den bisherigen Regionalleiter Walter Baur abgelöst. Diese Charge wird neu in den AFV-Vorstand eingebunden, was viele Abläufe weiter verbessern wird!»
Auf meine Frage schätzt Brauchli, dass aktuell rund 90 Prozent der Aargauer Absolventen das Schweiz. Sportfischer Brevet als Lernmittel für ihren SaNa wählen.
Unabsehbare Krise
«Glaubst du denn, dass du die Rückkehr der Lachse in den Rhein noch miterlebst?», frage ich und ernte einen kritischen Blick. Angesichts all der Kraftwerksbaustellen und dem akuten Fischschwund in den Flüssen mag Brauchli nicht so weit denken.
Er versucht lieber, im Hier und Jetzt die Situation zu begreifen. Mit einer breit angelegten Larvenzählung will man beispielsweise in allen wichtigen Äschenstrecken den Istzustand dokumentieren. Hans Brauchli: «20 von uns ausgewählte und ausgebildete Fischer übernehmen als Zweierteams die aufwändigen Zählungen im April und Mai.
Schon jetzt sehen wir interessante Sachen: Im Rhein bei Zurzach, eine Äschenstrecke von nationaler Bedeutung, gibt es seit 2003 kaum noch Äschen. Dafür haben sie in der Aare bei Aarau überraschend stark zugelegt. Diese Daten liefern uns Grundlagen für Massnahmen, sei es jetzt sinnvolle Renaturierungen, intensivere Bewirtschaftung et cetera…
Oder das Barbenprojekt: Seit einigen Jahren verschwinden die Barben. Jetzt geht man dem erstmals auf den Grund. Von den Forellen reden wir ja schon gar nicht mehr. Dann die ganzen Neozoen: neue Krebse, Muscheln, Rapfen, Welse…»
Hat Fischen Zukunft?
Brauchli: «Ein Chance dafür bietet unser neues Fischereigesetz (Anm. d. Red. Einen Bericht darüber findet man in der aktuellen Ausgabe Nr. 3/2012), auch vom neuen Gewässerschutzgesetz des Bundes erwarte ich Fortschritte. Anderseits sind da Sachen wie PCB-Altlasten, der Klimawandel oder der Wasserkraftboom durch den vorschnellen Atomausstieg.
Es gibt so viele Interessenkonflikte rund um die Gewässer, dass einem der Optimismus schwerfällt. Dass zurzeit kein Fischer mehr im Grossen Rat vertreten ist, macht die Sache auch nicht leichter, aber ich würde an der Delegiertenversammlung des AFV am 14. April nicht wieder für drei Jahre antreten, wenn ich nicht daran glauben würde, dass wir etwas erreichen können!»
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