


04 | 06 | 2022 | Praxis | ![]() | ![]() |
04 | 06 | 2022 | Praxis |
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Dein Schnurclip ist momentan arbeitslos? Florian Pippardt hat einige Tricks vom Brandungsangeln und Fliegenfischen übernommen, die auch den Karpfenanglern ein erfolgreiches Wurferlebnis ohne Krampfadern oder Tennisarm ermöglichen.
Früher schaute ich meinem Blei immer mit zusammengekniffenen Augen hinterher, wenn ich mal richtig durchzog. Gelegentlich wurde das kleine Schlagschnurknoten-Solo mit einem Paukenschlag, einem lauten Knall, einem Montageverlust beendet. Irgendwann entwickelte ich die «Seelische Hornhaut» eines altgedienten Notfallsanitäters. Die schrecklichen Klack-Geräusche blendete ich einfach aus, nahm sie als gegeben hin: Werfen bedeutet Klacken und manchmal auch Abreissen.
Es geht natürlich anders! Das allergrösste Problem beim Wurfangeln ist der blöde Schlagschnurknoten. Egal, ob Albright, doppelter Grinner- oder Chirurgen-Knoten. All diese Schnurverbindungen gleiten so geräuschlos und widerstandsfrei durch die Beringung wie ein Kieselstein. Wieso ist das so? Weil Schlagschnüre dick sein müssen – sonst könnte man auch auf sie verzichten. Sie erfüllen nicht nur den Zweck, etwaigen Unterwasserhindernissen zu trotzen, sondern federn auch die Schnellkraft ab, die während des Beschleunigungsvorgangs entsteht. Unsere Hauptschnur kann dabei locker reissen.
All die gängigen Verbindungsknoten erfordern entweder, dass man die dicke Schlagschnur doppelt legt oder mindestens einen Überhandknoten damit formt. Hersteller von Angelruten wissen das und rüsten ihre Wurfruten mit monströsen Ringen aus. Das ergibt Sinn und ist eine tolle Lösung für fette Schnurverbindungen. Leider knallt auch bei riesigen Ringen ein Schlagschnurknoten gern mal gegen den Ringsteg oder die Einlage, eine Garantie für reibungslosen Schnurdurchlauf gibt es nicht.
Das sogenannte Nachschwingverhalten einer Rute sagt übrigens aus, wie schnell sie nach dem Aufladvorgang wieder in ihre gerade Ausgangslage zurückkehrt. Je schneller sie wieder zackig stramm steht, desto besser flutscht der Knoten durch die Ringe. Je grösser und schwerer die Ringe, desto mehr «schwabbelt» der Blank, denn die Massenträgheit der in Bewegung versetzten Ringe muss schliesslich vom Blank kompensiert werden.
Achtung: Das heisst im Umkehrschluss natürlich nicht, dass Ruten mit grossen Ringen während des Wurfs die Form eines geschwungenen Lassos annehmen. Hochwertige Ringe sind trotz ihrer Grösse relativ leicht. Und hochwertige Kohlefaser-Blanks sind in der Lage, die Ringe sofort in ihre Ausgangsposition zurückzuzwingen. Nichtsdestotrotz benutze ich lieber Karpfenruten mit eher kleinen Ringen, weil ihre Wurfperformance unterm Strich besser ist. Ich verzichte auf die genannten Schlagschnurknoten. Bei mir kommt seit sechs Jahren nur noch ein Knoten zum Verbinden von geflochtener Hauptschnur und monofilem Snag-Leader zum Einsatz: der FG-Knoten.
«FG», das bedeutet «Fast Grip». Der FG hat eine grosse Besonderheit: Die Schlagschnur muss weder verknotet noch doppelt gelegt werden. Einzig das Geflecht schlingt sich um das Schlagschnurende und fixiert es nach dem Fingerhut-Prinzip. Wer den Knoten noch nie gesehen hat, glaubt möglicherweise nicht, dass er überhaupt hält. Aber Ihr täuscht Euch, denn der FG wurde von Big Game-Anglern entwickelt, und so ein 600-Pfund-Marlin macht kurzen Prozess mit Spielzeugknoten.
So richtig empfehlen kann ich Euch den FG nur für die Geflecht-Mono-Verbindung. Mit diesem Knoten könnt Ihr einen Elefanten über den Acker ziehen, eher reisst die Hauptschnur. Der FG ist zugegebenermassen nicht kinderleicht zu lernen. Aber wer die Handgriffe im Gehirn gespeichert hat, bringt ihn irgendwann genauso leicht zu Ende wie einen Albright.
Der Verbindungsknoten hat deshalb so viel Platz in meinem Text bekommen, weil er meines Erachtens der Hauptgrund für zu kurze Würfe ist. Der zweitwichtigste Grund ist die Länge der Schlagschnur. Beobachten wir dafür gedanklich Wurfangler Wolfgang am Wasser. Wolfgang holt aus, das Blei fliegt, die Rutenspitze schwingt kurz nach unten. Genau in diesem Moment verlässt der Schlagschnurknoten die Spule und will dem Blei hinterher – aber die nach unten gebogene Rutenspitze hält ihn auf. Es knallt, Wolfgang verzieht das Gesicht und schreibt eine Hass-Mail an den Schnurhersteller, der dafür aber überhaupt nichts kann. Wolfgangs Schlagschnur war zu kurz! Der Knoten hätte die Spule erst dann verlassen dürfen, als die Rute wieder in ihre gerade Lage zurückgeschnellt war. Also, Faustregel: Beginne mit etwa 10 Meter Schlagschnur. Rattert es während der ersten Würfe, ist die Schlagschnur etwas zu lang. Du kannst sie jetzt Meter für Meter kürzen. Aber mit Fingerspitzengefühl – lass sie lieber etwas zu lang.
Noch kurz zum Schlagschnur-Material: Das Verhältnis Fluorocarbon zu Mono könnte man gleichsetzen mit Edelstahldraht zu Gummiband, Ihr versteht also, wieso Fluorocarbon bei mir fast nie zum Einsatz kommt. Die je nach Hersteller mehr oder weniger starken Dehn-Eigenschaften der Mono kommen mir sogar gelegen, wenn ich mit Geflochtener fische. Ausserdem lässt Mono sich super einfach strecken: Dafür wickle ich das Blei um einen Ast, gehe einige Schritte nach hinten, lasse die komplette Schlagschnur raus und baue geradlinig Spannung auf. Diesen Trick benutzen zum Beispiel Fliegenfischer, um ihre Running Line vor den ersten Würfen glatt zu ziehen.
Widmen wir uns weiteren Faktoren, die unseren Schnurclip in die Arbeitslosigkeit zwingen können. Da ist mal die eigene Körpergrösse. Sie verlängert den Hebel und damit die Wurfdistanz. Falls auch Du eher nicht zu den Riesen gehörst, habe ich hier einen Tipp, den ich beim Brandungsangeln gern anwende:
Gehe etwa drei Schritte von Deiner Wurfposition nach hinten, lege das Blei auf sauberem Boden ab, gehe einen halben Schritt nach vorn. Baue langsam Druck auf und mache zwei schnelle Schritte Richtung Wasserlinie, dann nutzt Du deinen Schwung, um die Rute nach vorne zu führen. Im letzten Moment lässt Du los und staunst dem weit fliegenden Blei hinterher.
Sodann ist die Spulengrösse der Rolle (gross = gut), die Schnurfüllmenge (voll = gut) und der Durchmesser der geflochtenen Hauptschnur (dünn = gut) von Bedeutung. Achte darauf, möglichst wenig Leadcore, Tube oder bleifreien Leader zu benutzen, denn diese bieten viel Luftwiderstand und bremsen die Montage. Ebenso verhält es sich mit zu grossen Hakenködern. Und bedenke: Ein schweres Blei bedeutet nicht unbedingt eine hohe Wurfweite. Wird es zu schwer für den Blank, ist er ebenso machtlos wie ein 20er-Bizeps bei einer 30-Kilo-Kurzhantel: Er bringt das Gewicht nicht mehr in Bewegung. In der Regel sind 90 Gramm (10/12 Fuss und 3 lbs) bis hin zu 120 Gramm (12/13 Fuss und 3,5 lbs) optimal.
Ich habe viele Dinge vom Brandungsangeln aufs Karpfenangeln übertragen. Ein Hilfsmittel kommt bei Brandungsanglern oft zum Einsatz: «Tapered Mainlines» oder «Tapered Leader», übersetzt «konisch verjüngte Haupt- oder Vorfachschnüre». Diese sind an einem Ende dick (z. B. 0,50 Millimeter) und laufen dünn aus (z. B. 0,33 Millimeter). Der Vorteil liegt auf der Hand: Eine Verbindung zum dicken Ende einer Schlagschnur wird komplett hinfällig und der Knoten automatisch dünner. Tapered Leader kannst Du mit dem FG-Knoten vor eine vierfach geflochtene Hauptschnur schalten. Meines Erachtens DIE Verbindung für grosse Wurfweiten. Achtfach geflochtene Schnüre nutze ich nicht (mehr) zum Werfen, weil sie so weich sind, dass sie sich um einen Ringsteg schlagen können, wenn man die Rute während des Wurfs nicht hundertprozentig gerade über den Kopf führt.
Und jetzt kommt mein angekündigter Tipp für alle, die kein Geflecht benutzen: Tapered Mainlines! Jegliche Schlagschnur und jeglicher fette Mono-zu-Mono-Knoten entfällt komplett. Die Tapered Mainline von Korda z. B. ist an beiden Enden verdickt, sodass man sie einfach umdrehen kann, wenn eine Seite aufgeraut ist. Aber das können auch Schnüre anderer Marken. Und ob auf der konisch verjüngten Schnur «Surf Line» oder «Carp Line» steht, ist nebenbei bemerkt völlig egal.
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