[Was läuft im] September
01 | 09 | 2020 Schweiz | PraxisText & Fotos: Daniel Luther 03697
01 | 09 | 2020 Schweiz | Praxis
Text & Fotos: Daniel Luther 0 3697

Was läuft im September


Neozoen

Die Mehrzahl der Gewässer in unserem Land werden seit rund 50 Jahren messbar wärmer. In manchen Bächen, Flüssen und Kleinseen misst man heute drei Grad höhere Durchschnittstemperaturen und bis zu 7 Grad höhere Spitzentemperaturen als in den 1960er-Jahren. Das hat vielfältige Auswirkungen auf Wasser­lebewesen. Temperaturen und Temperaturänderungen gehören zu den entscheidenden Faktoren und Triggern für unzählige biologische Prozesse. Eine der offensichtlichsten Folgen ist die Einwanderung und Bestandesexplosion wärmeliebender Fischarten. Dieser Trend wird sich zu unseren Lebzeiten kaum mehr wenden lassen, ausser durch ein katastrophales globales Ereignis, das uns hoffentlich erspart bleibt. Wir tanzen fischereilich betrachtet auf dem Rand eines Vulkans und können zetern und jammern, oder die neuen Möglichkeiten ganz pragmatisch nutzen. Einige der Klimaprofiteure bieten im ausklingenden Sommer interessante Fangchancen: Alet, Zander, Rapfen, Wels und der Sonnenbarsch, der nicht nur schön ist, sondern ausgezeichnet schmeckt. 


Bachforellen-Blues

Eben noch betrauerten wir die zähe Eröffnung und die frühlingsfaulen Forellen, dann kamen Schmelzwasser, Föhnsturm oder familiäre Verpflichtungen, und an den ersten milden Wochenenden quasi aus dem Nichts erlebnishungrige Städter und Städterinnen, die unsere schönsten Gumpen als Wildniskulisse für ihre erlebnisdichten Insta-Stories belagerten. Im besten Fall immerhin im Bikini …

Und bereits tickt wieder der Fario-Countdown. Die viel zu schnell verfliegende Forellensaison wäre ein wunderbar unverfängliches Beispiel für Vergänglichkeit und damit ideal für Ü40-Party-Smalltalk, wenn Forellenfischen populärer wäre in unserem Land. Was es zum Glück nicht ist. Sonst wären nämlich nicht nur an den milden Wochenenden selbst die weniger schönen Gumpen belagert von erlebnishungrigen Kollegen und Kolleginnen, die dort nicht nur fotografieren, sondern vorher und nachher auch noch fischen würden. 

Bevor wir das unvermeidliche Ende der Saison des Fisches des Jahres 2020 betrauern, sollten wir deshalb möglichst viel ans Wasser gehen. Noch kann man diesen Fisch in vielen Gewässern höherer Lagen ohne schlechtes Gewissen fangen, und vielleicht erweist er sich ja als zäher, als wir denken. Dazu gehört, dass er sich nur an wenigen Tagen im Jahr leicht fangen lässt.
 

Sechs Beine, nahrhaft

Insekten sind die mit Abstand wichtigste Nahrungsquelle für die meisten einheimischen Fische. Im Winterhalbjahr besteht sie aus den Larven und Puppen von wasserlebenden Insekten wie Zuckmücken, Köcher-, Stein- und Eintagsfliegen oder Libellen. Sobald die Vegetation am Gewässerrand spriesst und blüht, bereichern auch Landinsekten das Menü der Fische. Nicht freiwillig, sondern als Opfer zahlloser Unfälle: Vom Winde verweht, abgestürzt, in die fatal falsche Richtung gehüpft … 

Im Spätsommer erreicht dieses Angebot den Höhepunkt. Vor allem an Bergseen und Wildbächen sind Ameisen, Käfer, Heuschrecken, Wespen, Bienen und Falter in dieser Zeit die dominierenden Beutetiere für Forellen und Saiblinge. Ein Blick in die oft prall gefüllten Mägen ist lehrreich. 

Aber auch in tieferen Lagen werden die nahrhaften Sechsbeiner millionenfach von der Oberfläche geschlürft: Von Lauben, Rotfedern, Rotaugen, Hasel, Alet und Karpfen ebenso wie von Forellen, Äschen, Felchen und sogar Egli (ja!). Erfahrene Fliegenfischer wissen und nutzen das. 


Fülle

Für Sammler und Jäger und ihre modernen Nachfahren, die Foodies und Gourmets gibt es in der Schweiz kaum einen interessanteren (und anstrengenderen) Monat als den September. Die Forellen aus dem Fluss sind «sommerfeiss», und auch Hechte und Egli haben viel feines Fleisch auf den Rippen. Wer endlich mal den einmaligen Geschmack von Wels probieren möchte, jetzt ist die Zeit! Auch die Edelfische des Sees, Felchen, Saiblinge und Seeforellen sind im sogenannten Altweibersommer oft gut zu fangen und kulinarisch in Hochform.

Dazu kommen Beeren, Wildkräuter, Pilze und das erste Wild aus den Wäldern. Ganz nüchtern betrachtet sind die Sommerferien zu kurz und die Herbstferien zu spät …

Zu allem Überfluss wird auf den Äckern und in den Gärten eine Vielfalt von Gemüse und Obst geerntet, und mit den Alpabfahrten kommen Hunderte lokaler Käsesorten und bestes Schlachtvieh ins Tal. Was für ein prächtiges Leben, wenn man es zu nutzen und schätzen weiss!

 Bachforellen-Blues

Bachforellen-Blues

 Sechs Beine, nahrhaft

Sechs Beine, nahrhaft

 Fülle

Fülle

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