21 | 04 | 2019 | Schweiz | 0 | 8959 |
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Forellengewässer im Schweizer Mittelland
Glanz & Elend
«Den Bachforellen in den Schweizer Mittellandflüssen geht es schlecht!», ist seit einigen Jahren immer häufiger zu hören. Neben den rückläufigen Fangzahlen sind zunehmend die Gewässerbedingungen in den Fokus gerückt. Am Beispiel des Flüsschens Murg im Kanton Thurgau stellt «Petri-Heil»-Redaktor Erich Bolli die Schönheiten und Probleme eines für das Schweizer Mittelland repräsentativen Forellengewässers dar.
Die Murg ist ein 34 km langer Nebenfluss der Thur. Sie entspringt oberhalb von Fischingen in der Hörnli-Region auf St. Galler Kantonsgebiet, fliesst dann durch den Kanton Thurgau und mündet unterhalb von Frauenfeld in die Thur. Das Flüsschen ist unterteilt in sechs Fischereireviere. Wie die Reviere der Sitter, Glatt und Necker werden die Pachtlose der Murg jeweils für acht Jahre vom Kanton Thurgau verpachtet. Bei den Pächtern handelt es sich in den meisten Fällen um Fischereivereine, von denen die Fischerei in ihren Revieren im Rahmen der kantonalen Vorgaben zusätzlich geregelt wird.
Einst ein Forellenparadies
In der Murg kommen neben Alet, Barben, Groppen und einigen anderen Arten vor allem Bachforellen vor. Die Murg war einst ein wahres Paradies für Forellen. Die Murg-Fischer steuerten rund drei Viertel des Gesamtertrags des Kantons (Murg, Sitter, Thur, Binnenkanäle) bei, in den besten Zeiten bis zu 3000 Stück (1990). Damals wurden auch noch Regenbogenforellen eingesetzt, die zusammen mit den Bachforellen in bestem Einvernehmen prächtig gediehen, was zu den überragenden Fangzahlen beitrug.
Die Wasserqualität schien den Forellen zu behagen. Dank dem kühlen Quellwasser aus den Seitenbächen vermochten auch heisse Sommer nicht, die Wassertemperatur der Murg auf für die Forellen kritische Höhen aufzuheizen, und wegen des guten Uferbewuchses und streckenweiser beidseitiger Bewaldung hielt sich der durch Prädatoren angerichtete Schaden bisher in Grenzen.
Besatz: Ohne Fleiss kein Preis!
Schon bei den Vorgängergenerationen der heutigen Murg-Pächter war es selbstverständlich, dass man den Forellenbestand durch guten Besatz stützen musste. Die Murg verfügt über zahlreiche Nebenbäche, die sich als Aufzuchtbäche zum Teil gut eignen. Also begann man schon früh, Elterntiere im Hauptfluss abzufischen, zu streifen und in der Fischzuchtanstalt des Kantons Brütlinge aufzuziehen. Diese wurden anschliessend in die Aufzuchtbäche eingesetzt und später in die Murg umgesiedelt. Alles richtig gemacht, autochthoner Besatz schon zu einer Zeit, als man in andere Flüssen noch billig eingekaufte Forellen aus dem Ausland einsetzte! Diese Aufzucht bedeutete natürlich einen grossen Arbeitsaufwand. Die Pächter mit ihren Helfern bzw. Präsidenten mit ihren Vereinsmitgliedern leisteten in Zusammenarbeit mit dem Kanton einen immensen ehrenamtlichen Einsatz zur Erhaltung ihres Forellenparadieses.
Alarmierender Rückgang der Fangzahlen
Und dennoch blieb auch die Murg nicht vom Rückgang des Forellenbestands, wie ihn die anderen Mittellandflüsse der Schweiz schon länger beklagen, verschont. Im Vergleich etwa zur Forellenkatastrophe am Rhein oder an der Thur hält sich der Rückgang noch in Grenzen, ist aber trotzdem nicht zu übersehen:
Von 2003 bis 2014 lag die Entnahme bei der Murg bei einer gewissen jährlichen Schwankungsbreite im Durchschnitt noch bei 1007 Stück. Ab 2015 erfolgte ein markanter Rückgang auf zuletzt 326 im Jahr 2018. Bei diesem neusten Tiefstwert spielte allerdings auch der teilweise Verzicht aufs Fischen infolge des Hitzesommers eine Rolle.
Umdenken bei den Fischern
Als sich der Bestandesrückgang nach den 1990er-Jahren abzuzeichnen begann, reagierte man bei den Pächtern bzw. Vereinen. Um die Kollateralschäden durch Verangeln von untermassigen Fischen zu reduzieren, verzichtete man in den wichtigsten Murgabschnitten auf das Wurm- und Spinnfischen und entschied sich zum schonenden «Fly only».
Doch das war nicht alles. In bewundernswerter Selbstbeschränkung zugunsten der Bestandeserhaltung wurde die Tagesfangquote über die Jahre sukzessive gesenkt: Von zehn auf sechs, dann auf drei, und seit 2019 im Abschnitt 5 sogar auf eine Forelle pro Tag und zehn pro Jahr. Idealismus pur! Weniger würde vorsätzliches «Catch und Release» (in der Schweiz nicht erlaubt) oder den gänzlichen Verzicht aufs Fischen bedeuten. Dass die Fischer diese Einschränkungen mittragen, zeigt, dass an der Murg schon weitgehend ein Umdenken stattgefunden hat: Fischen kann nicht mehr auf das Füllen der Pfanne ausgerichtet werden, sondern hat in erster Linie mit der Hege der Bestände zu tun. Wie könnten die Fischer dabei unterstützt werden?
Die andere Murg
Mit dem Wasser der Murg wurden schon in früheren Jahrhunderten zahlreiche Mühlen angetrieben, darunter zum Beispiel die Mühle Matzingen. Ab etwa 1830 siedelten sich zusätzlich neue Textilfabriken in Sirnach, Münchwilen, Wängi und Frauenfeld an. Diese begannen die Wasserkraft der Murg durch raffiniert angelegte Stauwehre, Kanäle und Turbinenanlagen zur Elektrizitätsgewinnung zu nutzen. Kaum jemand dachte daran, dass man zum Gewässer als vielfältiges Ökosystem Sorge tragen müsste. Die Leistungen der Technik galten damals als Mittel, die unproduktive Natur zu bändigen und zu nutzen. Diese Bauten stehen heute noch und durchtrennen den Fluss brutal an mehreren Orten. Die Pächter der Murgabschnitte möchten diese Blockaden des Flusses
beseitigen und eine durchgehende, funktionierende Fischgängigkeit herstellen, damit die Naturverlaichung gefördert wird. Sie fordern beim Kanton schon seit Jahren bauliche Verbesserungen in Form von zweckmässigen Anlagen zur Fischgängigkeit und verlangen die Einhaltung der vereinbarten Restwassermengen durch die Kleinkraftwerke.
Mit den privaten Betreibern der Kleinkraftwerke bestehen von Seiten des Kantons indessen langjährige Verträge, Verhandlungen über bauliche Eingriffe erweisen sich als langfädig und teilweise schwierig. So wurden die wiederholten Anfragen der Pächter, ob es endlich vorwärts gehe, mit Vertröstungen auf später abgetan. Nachfragen von «Petri-Heil» beim Kanton ergaben, dass für die Sanierung der Murg keine Priorität besteht, sondern dass Sanierungen der alten Wehre erst für 2025 (Kraftwerke Ringold Matzingen, SIGG, EKT Metzgergasse) bzw. 2030 (Sirnach) vorgesehen sind, bei den KW Schlossmühle und Zeughausbrücke laufen noch Abklärungen, ob allenfalls eine Sanierungspflicht besteht bzw. ob die gesetzlichen Anforderungen bereits erfüllt sind – eine gar lange Wartezeit für Forellen, die sich jedes Jahr gerne ihren passenden Laichplatz und Laichpartner flussauf- oder flussabwärts aussuchen möchten.
Es geht doch!
Dabei hat man schon vor einigen Jahren die Erfahrung gemacht, dass mit einem überschaubaren Aufwand durchaus etwas Sinnvolles unternommen werden kann. So erstellte man bei den Wehren unterhalb der Kläranlage im Murgrevier 5, im sogenannten «Heiligland», zwei funktionierende Umgehungsbäche sowie eine moderne Fischtreppe beim dortigen Hauptwehr.
Mit etwas grösserem Aufwand versuchte man dem Ziel eines ökologisch intakten Gewässers auch unterhalb von Frauenfeld durch eine Renaturierung beim Auenpark nahe zu kommen. Die Anfänge sind also gemacht. Da kann man nur sagen: Weiter so, und zwar möglichst bald!
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