27 | 11 | 2020 | Schweiz | Praxis | 0 | 6254 |
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Fischer schaffen Lebensraum
Fischer sind nicht nur Nutzniesser von Gewässern, indem sie Fische entnehmen. Sie stehen auch tatkräftig am Wasser, wenn es darum geht, die teils ökologisch verarmten Fliessgewässer der Schweiz aufzuwerten. Ein Augenschein vor Ort mit zwei Umsetzungen an der Dünnern und am Rickenbach im Kanton Solothurn.
Zuerst eine wichtige Unterscheidung vorweg: Gewässeraufwertungen, wie sie hier anhand von zwei Beispielen veranschaulicht werden, grenzen sich von den sogenannten Renaturierungen oder Revitalisierungen dadurch ab, dass bei einer Gewässeraufwertung der Lauf des Gewässers nicht durch bauliche Massnahmen verändert wird. Es handelt sich vielmehr um Massnahmen, die am bestehenden Gerinne vorgenommen werden. Ziel dabei ist es, die oft strukturarmen Fliessgewässer mit Strukturelementen so zu verbessern, dass die Strömungsdynamik sichtbar erhöht werden kann. Weil mit solchen «Instream»-Massnahmen kein Verlust von Landflächen einhergeht, können gleichförmig fliessende Gewässerabschnitte ohne politische Widerstände und aufwendige bauliche Bewilligungsverfahren rasch und mit unmittelbar ersichtlichen Vorteilen ökologisch aufgewertet werden.
Verzögerung der Arbeiten infolge Hochwasser
Ich treffe mich mit dem Gewässerökologen Dominik Hügli. Er ist für den Solothurnisch kantonalen Fischereiverband SOKFV in der Projektphase 2019-2023 für die fachlich-technische Planung der «Instream»-Massnahmen verantwortlich. Zudem steht er den Fischervereinen als Ansprechperson zur Verfügung und begleitet die Massnahmen in Zusammenarbeit mit dem hiesigen Zivilschutz sowie Freiwilligen des WWF Solothurn. Eigentlich hätte ich an jenem Tag an der Dünnern, einem Nebenfluss der Aare, gut zwei Dutzend Zivilschützer im Einsatz antreffen sollen, die daran sind, einen 345-Meter-Abschnitt des Gewässers aufzuwerten. Stattdessen sehe ich am Wegrand nur die vorbereiteten Raubäume, Armierungseisen, Wurzelstöcke, aufgeschichtetes Totholz, Steckhölzer usw., die darauf warten, in den Fluss gesetzt zu werden. Es ist gerade Hochwasser, sodass die geplanten Arbeiten leider bis nächsten Sommer verschoben werden mussten. Gut, dass Dominik Hügli etwas unterhalb des geplanten Abschnitts von bereits umgesetzten Massnahmen aus dem Jahr 2018 zu berichten weiss. So staksen wir durchs dornige Dickicht flussabwärts, bis wir einen freien Blick auf den Flusslauf haben.
Das Beispiel Dünnern
Dominik steht die Begeisterung ins Gesicht geschrieben, mit welcher er mir von den schon umgesetzten «Instream»-Massnahmen an der Dünnern erzählt. Mit grossen Augen weist er auf eine Stammbuhne hin, welche die Strömung gegen die Mitte des Gewässers hin etwas beschleunigt, zwei Meter daneben in Richtung Ufer aber auch zu einer Verlangsamung derselben führt. Daraus wiederum entsteht ein Rastplatz mit Einstand für die Fische. Er erklärt mir, in welchem Winkel der Pfahl mit den Armierungseisen in die Gewässersohle verpflanzt werden muss, um die richtigen Strömungsresultate zu erzielen. Weiter unten weist er auf Totholz hin, das von fleissigen Helfern dingfest gemacht wurde. Nur scheinbar zufällig einen Meter vom Ufer entfernt sorgt es für etwas Strömungsberuhigung und bildet mit Laub und angeschwemmtem Holz in den Ästen ein Minihabitat für Kleinfische. Regelmässig zu Kontrollzwecken durchgeführte Abfischungen hätten gezeigt, versichert mir Dominik, dass genau dieser Bereich aufgrund der umgesetzten Massnahme einer der fischreichsten des Gewässerabschnitts sei. Auf der anderen Uferseite ein ebenso scheinbar zufällig vorhandener Wurzelstock, der auf die eine Flussseite hin die Strömung beschleunigt, während er auf der anderen Seite einen kleinen Kolk bildet. Wenn sich da nicht eine Forelle dahinter versteckt, wo dann? Obwohl mir das Hochwasser den Blick auf einen Teil der Wirkung der Massnahmen verwehrt, sind die positiven Konsequenzen für die aquatische Fauna und Flora klar ersichtlich.
Das Beispiel Rickenbach
Ein ganz anderes Bild präsentiert mir Dominik, als wir zum kleinen Bach Rickenbach dislozieren. Mitten im Wald auf einer Anhöhe stossen wir oberhalb einer knapp zwei Meter hohen Schwelle auf einen Bach, von dem ich auf den ersten Blick kaum glauben kann, dass sich darin überhaupt Fische halten können. Auf mein Nachfragen zeigt mir Dominik einen kurzen Film eines Fischers, der genau dort eine kleinere Forelle fangen konnte. Ich glaube ihm also und lasse mir die «Instream»-Massnahmen veranschaulichen, die an diesem Gewässerabschnitt getätigt wurden. Im Unterschied zur Dünnern konnten hier an mehreren Stellen wenige Kiesaufschüttungen in Form von kleinen Buhnen aus dem Material der Gewässersohle selbst erschaffen werden. Alle paar Meter sorgt so eine Buhne alternierend zur anderen sowohl für Be- als auch für Entschleunigung des Strömungsverlaufs, während der Bach als Ganzes immer noch in seinem gewohnten Lauf mäandriert. Eine Bachstelze auf einer der Buhnen deutet darauf hin, dass nicht nur Fische den aufgewerteten Bach schätzen. Ein idyllischer Bachabschnitt konnte hier mit bescheidenen Werkzeugen wie Schaufel, Pickel und Vorschlaghammer, dafür mit umso mehr Enthusiasmus von Seiten der Fischer, erschaffen werden. Ich bin beeindruckt und nicke ihm anerkennend zu, was er nicht ohne Stolz mit seinem begeisterten Lächeln quittiert. Etwas weiter oben zeigt er mir noch, wie der Bach an einer Stelle aussieht, die noch nicht aufgewertet wurde. Der Unterschied ist frappant, läuft das Wasser doch in der immer gleich monotonen Geschwindigkeit ohne jegliche Strömungsdynamik talwärts mit deutlich weniger Anzeichen von aquatischem Leben.
Kleine Massnahmen – grosse Wirkung
Die beiden Beispiele zeigen eindrücklich, wie nach dem SFV-Handbuch «Fischer schaffen Lebensraum» mit einfachen Massnahmen Gewässeraufwertungen mit grosser Wirkung erzielt werden können. Natürlich bedürfen Umsetzungsprojekte wie dieses einer Gewässerschutzbewilligung bei den zuständigen Ämtern und einer Finanzierung, wie sie in diesem Fall der Öko-Fonds der Alpiq ermöglicht. Der Unterschied zu viel teureren und behördlich deutlich aufwendigeren Revitalisierungen ist jedoch sehr gross. Für die Fischer der Schweiz stellen Projekte wie diese wohl das am meisten Erfolg versprechende Engagement für den Gewässerschutz dar. Bleibt zu hoffen, dass noch mehr enthusiastische Fischer dem Beispiel von Dominik Hügli folgen und sich aus eigener Initiative dafür einsetzen, und damit die vielerorts defizitären Zustände der Gewässer in der Schweiz behoben werden können.
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