Family Fishing
07 | 08 | 2019 DiversesText: Steff Aellig | Illustrationen: Patrick Stieger 04172
07 | 08 | 2019 Diverses
Text: Steff Aellig | Illustrationen: Patrick Stieger 0 4172

Family Fishing

Schatz, hast du Sonnencreme drauf?» fragt Fischers Frau. Ihre Stimme eine Mischung aus Besorgnis und Vorwurf. «Klar doch!», leugne ich und verscheuche die Mücken von meiner schweissnassen Stirn. Irgendwann hat die erwartungsvolle Morgenfrische einer schweren Mittagshitze Platz gemacht.

Dabei hätte es eigentlich ein Traumtag werden sollen. Idyllische Stimmung heute früh, die totale Friedlichkeit auf dem Wasser. In den Booten rundherum alles liebe Kumpels aus dem Verein. Und bei mir auf dem Schiff jene Menschen, die auf Lebzeiten einen Platz in meinem Herzen haben: Fischers Frau und Fischers Töchter. Momentan zwar erst die jüngere der beiden. Die ältere kommt später, will ausschlafen, weil sie gestern noch Party hatte.

Und Party müsste eigentlich auch unter uns auf dem Seegrund abgehen: Rappelvoll, die Signalbilder auf dem Echolot. Und vielversprechend hat es auch begonnen: Der erste «Strike» geht an Fischers Tochter. Ich freue mich und hoffe, dass dieser frühe Fisch sie weiterhin bei Laune hält. Doch die kampfstarke Felche verabschiedet sich auf halbem Weg. Fischers Tochter flucht – und macht mich persönlich verantwortlich für den Verlust.

Auch Fischers Frau hat Biss. «Petri!», rufen die Kumpels von den Booten ringsum anerkennend, als die silberne Lady im Feumer zappelt, «schöner Fisch!», und zu mir: «Sie zeigt dir, wies geht!» Noch steck ich das locker weg. Sind ja Kumpels, sie meinen es liebevoll. Und der Tag ist noch lang. Zwei feine Bisse verpasse ich. Nicht schlimm, das Echolot sagt: Die Fische sind da. Müssen nur noch beissen. Tun sie aber nicht mehr. Bei den Kumpels nicht, bei Fischers Frau und Fischers Tochter nicht. Und bei mir schon gar nicht. Nur Oski auf dem Boot nebenan fängt. Aber er fängt immer. Hat seine Zauber-Hegenen und ein magisches Händchen. Mit ihm darfst du dich nicht messen.

«Papi, du hast versprochen, dass sie heute beissen!», jammert Fischers Tochter irgendwann. Ihre Rute baumelt längst schon im Halter. «Haben sie gestern auch!», knurre ich zurück. «Dann geh ich jetzt mal ne Runde schwimmen!», meint sie beleidigt. «Schatz, dein Nacken ist schon ganz rot!», meldet sich Fischers Frau wieder, «creme dich doch bitte nochmals ein!» Das darf doch nicht wahr sein. Kann man auf diesem Boot nicht eine Minute lang in Ruhe fischen?!

Kurz vor Mittag holen wir die andere Fischers Tochter vom Zug ab. Als sie grusslos an Bord steigt, lese ich in ihrer Miene die ganze pubertäre Bandbreite von «Mann, was muss ich hier mitten in der Nacht?» bis «Fischen ist sowas von doof!». Sie fläzt sich auf den Bug, schiebt die riesige Sonnenbrille vom Haar über die Augen und liest in ihrem dicken Schmöker weiter. Fantasy Liebesroman. Genau so fühl ich mich.

Und dabei habe ich mich so gefreut auf das heutige «Family Fishing». Wirklich! Das findet in dieser Konstellation nämlich höchstens einmal im Jahr statt. Stoisch starre ich auf meine Rutenspitze. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren. In meinen Augen brennt die Mischung aus Sonnencreme und Schweiss. Mit müdem Arm setze ich die langsamen Hebezüge fort. Etwas mutlos. Fischers Frau, schon wieder: «Schatz, was meinst du, wollen wir nicht langsam?…» Pepe vom Nachbarschiff spürt meine wilde Verzweiflung. «Let’s call it a day!», ruft er beschwichtigend, «lass uns den Grill anschmeissen!».

Doch dann plötzlich: «Jawoll!», rufe ich so laut, dass es alle rundherum hören. Endlich: Der lang ersehnte, nein: krampfhaft herbeigewünschte Biss. Mein Arm schnellt hoch. Blanker Instinkt. Krumme Rute – und unten kein Wank. Das muss eine Ü-50er-Felche sein. Mindestens. Der Fisch, von dem jeder von uns eine Saison lang träumt. Der Fisch, der hier und jetzt meine Ehre als Famlienoberhaupt und respektierter Fischerkumpel wiederherstellen wird. Genussvoll und betont langsam drille ich ihn hoch.

Schöner Schluss, oder? Ist leider frei erfunden. Die Wahrheit ist: Es gibt Bratwurst vom Grill. Und Bier. Für mich viel Bier.


Steff Aellig ist Psychologe und arbeitet als Wissenschaftsjournalist. In seiner Kolumne schreibt er über die Abgründe seiner Angel-Sucht – und findet heraus, was ihn in seinem Alltag als Ehemann und dreifachen Familienvater alles daran hindert, diese Sucht auszuleben.

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