Der beste aller Fische
14 | 11 | 2012 SchweizText: Daniel Luther 16189
14 | 11 | 2012 Schweiz
Text: Daniel Luther 1 6189

Der beste aller Fische

Noch nie wurde so viel über Essen nachgedacht und geschrieben wie heute. Immer mehr Menschen wollen genauer wissen, was ihnen da angeboten, verkauft und aufgetischt wird. Insbesondere beim Thema Fisch. In der ganzen Flut von Artikeln, Flyern und Guides fehlt bisher der überfällige Lobgesang auf selbst gefangenen Fisch! Das ändern wir.

Fisch war immer schon eine der wichtigsten Eiweissquellen für die Menschen. Ohne zu säen, konnte man mit ein wenig Geschick und Glück ernten. Ein Geschenk des Himmels in einer sonst harten Welt.

Aus unseren Flüssen und Seen verschwand der scheinbare Überfluss bereits im 19. Jahrhundert. Mit der Industrialisierung wurde ein heute unvorstellbarer Fischreichtum vernichtet. In Europa verloren allein durch den Kraftwerksbau tausende von Flüssen ihre kostbarsten Schätze wie Aal, Lachs und Stör, weil den Fischen der Aufstieg aus dem Meer verwehrt wurde.

Die Ozeane hielt man noch eine Weile länger für unerschöpflich. Aber auch diese Illusion ist Ernüchterung gewichen. Der Mensch nutzt mittlerweile selbst die Weltmeere bis an den Rand ihrer Möglichkeiten und darüber hinaus.

Die neusten Daten kommen von der Food and Agriculture Organization (FAO), einer UNO-Behörde. 2010 wurden weltweit rund 64 Millionen Tonnen Meerfische gefangen. Selbst die traditionell unkritische FAO gibt an, dass nur noch ein Fünftel aller befischten Fischpopulationen intakt ist. Zu diesen übernutzten 80 Prozent gehören praktisch alle in der Schweiz populären Speisefische aus dem Salzwasser.


Fragwürdige Zertifizierungen

Soll man deshalb auf alle Meerfische verzichten? Für viele Fischliebhaber und Gourmets eine harte Entscheidung! Der Handel hat die Verunsicherung der Konsumenten erkannt und versucht sie mit Labels zu beruhigen.

Die Stossrichtung ist sicher zu begrüssen, aber selbst anspruchsvolle Label wie Marine Stewardship Council (MSC) dulden derart viele Kompromisse, dass man sie nicht kritiklos empfehlen kann. So sind bedenkliche Fangtechniken wie Grundschleppnetze und Langleinen weiterhin möglich. Auch die teilweise weiten Transportwege (z. B. aus Neuseeland) sind ein Minuspunkt.

An zwei Kriterien kann sich der bewusste Konsument halten: Schwarmfische, die möglichst weit unten in der Nahrungskette stehen lassen sich einfacher nachhaltig nutzen. Dazu gehören Heringe, Sardinen und Sardellen. Auch raschwüchsige Arten wie Makrelen und kleine Thune ermöglichen eine intensive und doch nachhaltige Nutzung.

Es gibt anderseits Länder, die sich bemühen ihre Meerfischbestände nachhaltig zu nutzen, zum Beispiel Island, Norwegen, die USA und Neuseeland. Kabeljau, pazifischer Wildlachs oder Alaska-Pollack aus diesen Gewässern wird heute so vernünftig befischt, dass man mit dem Kauf zumindest nicht die Vernichtung von Fischbeständen unterstützt.


Aquakultur als Lösung?

Seit Jahrzehnten wird die künstliche Aufzucht von Fischen massiv gefördert und als Alternative zur Überfischung der Wildfischbestände angepriesen. Mittlerweile wächst kein Nahrungsmittelsektor schneller. 2010 lieferte die Aquakultur fast 39 Millionen Tonnen Fische.

Das ist nur auf den ersten Blick ein Fortschritt: Da mindestens 60 Prozent des für die Aquakultur verwendeten Futters aus Wildfisch gewonnen wird, hat das rasante Wachstum dieses Wirtschaftszweig die Fischbestände noch stärker unter Druck gesetzt.

Energetisch wäre es sinnvoller das Fischmehl direkt zu konsumieren! Für begehrte Zuchtfische wie Lachs, Wolfsbarsch und Steinbutt liegt der «Futterfischverbrauch» sogar noch deutlich höher. Vegetarische Fischarten, wie der Graskarpfen, die in Asien zu den wichtigsten Zuchtfischen gehören, werden bei uns (noch) nicht angeboten.


Gute Ökobilanz für einheimischen Fisch

Diese Problematik betrifft auch heimische Zuchtbetriebe, die vorwiegend Forellen und Saiblinge produzieren. Mit grosszügigen Haltungsbedingungen, minimalem Pharma-Einsatz und schonender Tötung reicht es ihnen teilweise zur Bio-Knospe. Diese ändert aber nichts am Fischanteil im Mastfutter und der Überfischung der Meere.

Besser sieht da die Bilanz bei der Berufsfischerei aus. Im Vergleich mit den rabiaten Methoden der Meerfischerei werden unsere Seen geradezu mit Samthandschuhen befischt. Die Kiemennetze fangen selektiv die gewünschten Arten und Grössen und zerstören auch den Seegrund nicht wie beispielsweise die Schleppnetze der Ozeantrawler. Der kurze Weg zum Kunden ist ein klarer ökologischer Pluspunkt, die Frische und der regionale Bezug ein Bonus in der Gastronomie.

Leider kann der Ertrag unserer Seen die Nachfrage bei weitem nicht decken. Der durchschnittliche Jahresfang von 1800 Tonnen deckt nur wenige Prozent des Schweizer Fischkonsums. In Zukunft wird dieser Anteil weiter schrumpfen, da die Produktivität der Seen seit Jahren sinkt und Fisch fressende Vögel einen wachsenden Anteil des Ertrags abschöpfen. Ein Verzeichnis der Schweizer Berufsfischer findet man auf www.schweizerfisch.ch.


Selbstgefangener Fisch verspricht höchste Qualität

Lassen Sie sich folgende Feststellung mal auf der Zunge zergehen: Mein Fang erfüllt die höchsten Standards in jeder Kategorie! Um das Thema in seiner ganzen Erfreulichkeit auszukosten, lege ich das gern noch etwas genauer dar.

Ökologie & Ethik: Wildfische in intakten Gewässern leben bis zu ihrem Fang absolut artgerecht. Sie fressen natürliche Nahrung ohne chemische Zusätze, Medikamente und Farbstoffe. Ihr Fleisch ist der Inbegriff von «bio»!

Nachhaltigkeit: Der Fischfang mit Rute und Rolle erfüllt selbst scharfe Kriterien nachhaltiger Nutzung. Schonvorschriften und Entnahmelimiten können zuverlässig eingehalten werden. Auch unerwünschter Beifang lässt sich weitgehend vermeiden und er kann meist unbeschadet zurückgesetzt werden. Die Schäden am Lebensraum sind höchstens minim.

Energie: Wenn man nicht gerade mit dem Helikopter zum Bergsee fliegt oder mit einer Luxusyacht schleppt, hat einheimischer Fisch im Vergleich mit vielen anderen Lebensmitteln auch eine hervorragende Energiebilanz. Aufwand für Verpackung, Lagerung und Transport fällt weg. Nicht ganz mithalten kann da der per Transatlantikflug mitgebrachte Lachs, aber es wird halt noch ein Weilchen dauern, bis man mit dem Velo zum Lachsfluss fahren kann…

Tierschutz: Der sachkundige Fang mit Leine und Haken ist zweifellos die fairste Art einen wild lebenden Fisch zu erbeuten.

Kulinarischer Wert: Wer seinen Fang so versorgt, wie man das heute in jedem Grundkurs lernt, bringt Fische in einer Qualität nach Hause, die es gar nicht zu kaufen gibt. Nimmt man den Fisch sofort nach dem Töten aus, garantiert das nämlich die beste Fleischqualität und lange Haltbarkeit.

Wildfische sind zudem durch ihre Lebensweise muskulös und fettarm und deshalb Zuchtfischen geschmacklich deutlich überlegen. Und nicht zuletzt eröffnen sich einem erfahrenen Petrijünger exklusive kulinarische Chancen. Wo bekommt man als Normalsterblicher schon fangfrische Seeforelle, Äsche oder Trüsche? Für einen echten Fisch-Liebhaber führt ernsthafterweise kein Weg am Selberfangen vorbei! En Guete!

 

1 Kommentare


Michael Altherr

06 | 05 | 2021

Prima Artikel, danke!
Und wie bringen wir nun den Fischreichtum in die Binnengewässer zurück? - und wie erhalten und regenerieren wir ihn in den Meeren?


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