Mittelklasse-Alleskönner
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Mittelklasse-Alleskönner
01 | 12 | 2020 | Schweiz | Praxis | 0 | 6076 |
01 | 12 | 2020 | Schweiz | Praxis |
0 6076 |
Dieses Schimmern in allen Farben des Regenbogens übt nicht nur auf uns Menschen einen unwiderstehlichen Reiz aus. Schon vor tausend Generationen nutzten schlaue Steinzeitfischer den Zauber von Perlmutt, um Fische anzulocken und an ihre Haken aus Knochen oder Hartholz zu bringen.
Geht man diesem Naturphänomen auf den Grund, erkennt man, dass der Aufbau von Perlmutt erstaunlich simpel und gleichzeitig unglaublich raffiniert ist. Die Muscheln, Schnecken und Tintenfische, die es erfolgreich als Gehäusematerial nutzen, hatten immerhin mehrere hundert Millionen Jahre Zeit, um es zu entwickeln. Perlmutt ist eine geniale Kombination aus feinsten Calciumcarbonat-Plättchen, die eingebettet sind in ein Netz aus Proteinfasern wie Chitin. Das Resultat ist ein enorm flexibles und doch bruchfestes Material. Dass etwas funktionell, so ausgereift und gleichzeitig so sinnlos schön sein kann, ist eines von vielen Wundern dieser Welt, über das man in der Adventszeit meditieren kann.
Bald beginnen wieder jene einzigartigen Wochen, die bei manchen Fischern und Fischerinnen selbst bei eisigen Minusgraden für heisse Diskussionen und grosse Emotionen sorgen. Spätestens im Advent erwacht das Silberfieber. Eine Zeitlang lässt es sich stillen mit Ausrüstung parat machen, Köder sortieren oder «pöschtele», bis es kaum mehr auszuhalten ist. Die Fischerseele brodelt wie die dampfende Suppe, wenn sie in den Thermoskrug gefüllt wird. Die ersten Tage der Saison sind kaum je die besten, ja manchmal sogar niederschmetternd miserabel. Doch ob strahlender Sonnenschein oder Graupelschauer und schneidender Wind, selten schlägt das Fischerherz so heftig.
Was diese Fischerei so aussergewöhnlich macht für alle, die in ihren Bann geraten sind, ist für Aussenstehende rätselhaft. Ist es die Intensität, die dadurch entsteht, dass der ersehnte magische Moment möglich, aber schmerzhaft unwahrscheinlich ist? Eine kraftstrotzende, breitnackige, prachtvoll silbern funkelnde Wahnsinnsforelle im Feumer oder auf dem Uferkies. So viel Glück ist kaum auszuhalten.
Dank Gefühl und Geschick erwacht das fingerlange Stück Weichplastik zu zuckendem Leben. Eigentlich ist es ja eher ein Sterben, das den Raubinstinkt wecken soll. Das Schauspiel am Gewässergrund ist oft so überzeugend, dass die Egli aus ihrer Winterträgheit erwachen und gierig zupacken.
Sobald sich die Räuber zum Grund und in die Tiefe zurückziehen, lohnt es sich, eine Ahnung zu haben von den sogenannten Finesse-Techniken. In diesem Magazin werden sie seit Jahren vorgestellt (z. B. «Petri-Heil» Nr. 10/20, Seite 32). Wer sich näher mit den duftimprägnierten Ködern in allen Farben, den feinnervigen Ruten und ausgeklügelten Montagen beschäftigt, entdeckt neue Fischerfreuden und wird früher oder später mit schönen Fängen belohnt. Auch Zander und Hecht lassen sich dank der neuen Köder und Techniken in Situationen überlisten, in denen früher höchstens der lebende Köderfisch Aussicht auf Erfolg versprach.
Übrigens: Auch die traditionelle Fluss-Fischerei mit Laufrolle, Zapfen und Nymphe darf man mit Fug und Recht als Finesse-Methode bezeichnen, das punktgenaue Servieren einer winzigen Trockenfliege sowieso.
Das letzte Tageslicht verblasst hinter den scherenschnittscharfen Umrissen der Berge. Ein Feuer spiegelt sich im ölglatten Wasser des Sees und knistert vergnügt. Im Schein der Kopflampe leuchten die fluoreszierenden Schnüre auf. Sie führen straff gespannt in die Tiefe. Der erste Biss liegt in der kühlen Luft.
In dunklen Dezembernächten sind die marmorierten Jäger mit der Bartel am Kinn hungrig unterwegs auf der Suche nach Beute. Für die bevorstehende Wanderung zu den Laichplätzen und die wilde Massenhochzeit ist jede Kalorie wertvoll.
Das Fangrezept passt in wenige Zeilen. Man nehme Grund- oder Feederrute, 0,30er-Monofil, Rutenhalter, 40 bis 80 Gramm Laufblei, extrakurzes Vorfach (10 bis 20 cm) mit 4er-Wurmhaken und phosphoreszierender Perle. Der ideale Köder besteht aus zwei, drei quicklebendigen Schwarzköpfen. Man bietet ihn an auf 30 bis 60 Meter Tiefe, idealerweise im Bereich von Mündungen und am Fuss von steilen Felsufern. Aber Obacht, daraus kann eine lebenslange Leidenschaft werden. Mit dieser Warnung verabschiedet sich der Autor zu einer kreativen Pause.
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