Jagd auf Grosswelse
30 | 05 | 2025 Praxis | ReisenText & Fotos: Peter Schenk 1955
30 | 05 | 2025 Praxis | Reisen
Text & Fotos: Peter Schenk 1 955

Jagd auf Grosswelse

Vor über dreissig Jahren machte Peter Schenk während­ eines Trips nach Spanien­ Bekanntschaft mit den Welsen. Seither faszinieren ihn die Bartelträger. Grossfische der Liga deutlich über 2 Meter sind verständlicherweise das ultimative Ziel jedes Welsanglers. Unser «Petri-Heil»-Mitarbeiter hat festgestellt, dass die Grossen nicht zufällig gefangen werden. Welche Faktoren begünstigen die Chancen auf den Fang eines Riesen?


Es ist kurz vor sechs an diesem neblig-kalten Novembermorgen am Ebro. Ich liege auf meinem Bedchair im Zelt und bin schon die ganze Nacht einsatzbereit. Wunderbare Ruhe herrscht am Wasser. Ganz leise gluckst der See. Gelegentlich unterbricht ein springender Weissfisch die Stille. Dann geht endlich ein Bissanzeiger los. Blitzschnell reis­se ich die Rute aus dem Rutenhalter und hole zuerst einmal viel lose Leine ein. Dann fühle ich den erlösenden Widerstand und setze vier knallharte Anhiebe. Der Fisch hängt! Der bisher eher bescheidene Zug wird immer stärker, schliesslich geradezu brachial. Ich umklammere die Rute und muss höllisch aufpassen, dass ich sie hochhalten kann. Ich stemme mich mit aller Kraft gegen den tobenden Wels, hebe ihn für wenige Sekunden vom Grund, wohin er gleich wieder zustrebt. Allzu weit kann er sich nicht mehr von der ansteigenden Uferkante entfernt befinden. Ich atme wie ein Langstreckenläufer und verspüre einen beginnenden Muskelkrampf. Mit voller Pulle zwinge ich den Gegner immer näher zu mir und bringe ihn schliesslich an die Wasseroberfläche: Einen mächtigen Schädel hat er und ist wirklich lang. Die ersten Versuche, ihn in meine­ Nähe zu lenken, quittiert er mit unbändigem Wegschwimmen. Er hängt ganz spitz und ich bin erleichtert, als ein Freund und ich ihn am Unterkiefer zu fassen bekommen. Er hat sich so verausgabt, dass er nun keine Gegenwehr mehr leistet. Wir legen das Massband an und ich kann meinen Augen kaum trauen: 2,51 Meter! Um den Wels zu schonen, verzichten wir auf das Wiegen und setzen ihn nach ein paar Fotos in sein Element zurück. Absolut geräuschlos zieht der Riese in die Tiefe. Was für ein erhabener Anblick!

 In den spanischen Stauseen wachsen Welse besonders gut ab und ziehen Grosswels-Freaks aus aller Welt an.

In den spanischen Stauseen wachsen Welse besonders gut ab und ziehen Grosswels-Freaks aus aller Welt an.


Gewässerwahl

Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass Welse in Mitteleuropa auf dem Vormarsch sind: Sie sind Profiteure von Klimaerwärmung und Eutrophierung und haben sich in den letzten Jahren massiv ausgebreitet. Sind Welse in einem neuen Gewässer angekommen, dauert es allerdings Jahrzehnte, bis eine ausgereifte Alterspyramide mit wirklich grossen Fischen vorhanden ist. Liegt der Fokus auf Kapitalen, kommen nur Gewässer in Frage, wo Welse schon einige Jahrzehnte leben. Vorteilhaft sind Habitate mit grossem Volumen ohne Wanderhindernisse.

Welse kommen mit stehenden sowie auch fliessenden Gewässern und auch mit starker Strömung zurecht. Ideal sind grosse Flüsse mit Unterlaufcharakter wie Rhein, Rhone, Saône, Po und Ebro.

 Ein Kopf so gross wie ein Oberkörper: Der Autor mit einem kapitalen Wels jenseits der 240er-Marke.

Ein Kopf so gross wie ein Oberkörper: Der Autor mit einem kapitalen Wels jenseits der 240er-Marke.


Der richtige Angelplatz

Unsere grössten Welse haben auffallend oft in Ufernähe gebissen, zum Teil in Wassertiefen von weniger als einem halben Meter! Hungrige Welse schleichen Schilfkanten, Abbrüchen, Steinpackungen und anderen Strukturen entlang, weil sie genau da ihre Futterfische finden. Besonders interessant sind Plätze an der Strömungskante, wo sich ruhiges und schnell fliessendes Wasser treffen. Eine sorgfältige Platzwahl ist auf jeden Fall matchentscheidend.


Jahreszeiten

Welse kann man, harte Wintermonate und die Laichzeit ausgenommen, zu jeder Jahreszeit fangen. Je nach Breitengrad und Gewässer sind demzufolge Mai-Juni sowie Januar-Februar nicht die vorteilhaftesten Phasen für einen erfolgreichen Welstrip.

Vor und nach der Laichzeit sind die Welse ausgesprochen hungrig, somit kann der Frühling erfolgversprechend sein, vor allem wenn das Wetter gut mitspielt. Wir haben die grosse Mehrheit unserer Zweimeterwelse im Frühling erwischt. Mein Favorit für besonders grosse Welse ist allerdings der Herbst. Von September bis Mitte Dezember, wenn die Tage noch mild, die Nächte aber zusehends kälter werden, fängt man in der Regel deutlich weniger Fische als im Frühling, aber die Chancen auf einen richtig dicken Brocken stehen gut. Der Appetit der Kapitalen wird durch den heranrückenden Winter angeregt und sie fressen sich nochmals richtig voll.

 Es kann losgehen! Oft bewegen sich die Welse erst bei Einbruch der Dämmerung an ihre Futterplätze. © Sven Dombach

Es kann losgehen! Oft bewegen sich die Welse erst bei Einbruch der Dämmerung an ihre Futterplätze. © Sven Dombach


Tageszeiten

Die Regel lautet: Solange man richtig fischt, kann man zu jeder Uhrzeit Welse fangen. Ob tagsüber oder mitten in der Nacht: Welse halten sich nicht an fixe Essenszeiten. Natürlich gilt es die örtlich geltenden Gesetze zu beachten. Zum Glück wurden in vielen Revieren die unsinnigen Nachtangelverbote abgeschafft. Denn gerade vor Tagesanbruch oder bei hereinbrechender Nacht sind oft grosse Fische auf der Jagd. Eine Auffälligkeit bestätigt sich immer wieder: Beissen kleine Welse, sind die Grossen abwesend und umgekehrt. Die Kleinen trauen sich nicht ins freie Wasser, wenn die Grossfische herumstreifen. Denn Grosswels frisst Kleinwels.


Witterung und Luftdruck

Starke Druckdifferenzen, ein ständiges Auf und Ab und Kaltwetterphasen schlagen den Welsen auf den Magen. Meine bevorzugte Witterung umfasst stabilen Luftdruck mit Tendenz zum Hoch, niederschlagslose Phasen mit milden Tagen und lauen bis kühlen Nächten und möglichst wenig Wind. Auf einem längeren Welstrip lohnt es sich, die ungünstigen Wetterphasen einfach durchzustehen. Mit der folgenden Wetterbesserung werden die Welse wieder aktiv. 


Die Rolle des Mondes

Die Sehleistung von Welsaugen ist sehr eingeschränkt. Dafür hat der Wels andere gut entwickelte Sensoren wie Hör-, Tast- und Geschmackssinn sowie Elektro- und Drucksensoren. Er orientiert sich bestens bei Dunkelheit und in trübem Wasser und findet seine Beute. Mit unglaublicher Wendigkeit und Geschwindigkeit folgt er der Wirbelspur flüchtender Fische und fängt sie zielsicher. Oft konnte ich Welse beim Jagen aus nächster Distanz beobachten: Sie sind unglaublich effizient! Die Mondphasen scheinen einen Einfluss auf die Aktivität und das Fressverhalten von Welsen zu haben. Die Gründe sind nicht restlos geklärt. Tatsache ist: Während mondhellen Nächten haben wir diverse Male richtige Beissorgien erlebt. Meine Erfahrung zeigt, dass die paar Tage vor Vollmond sehr gut für Kapitale sein können.

 Bei Grosswelsen ist nicht etwa der Fang im Trockenen, sondern der Fänger im Nass.

Bei Grosswelsen ist nicht etwa der Fang im Trockenen, sondern der Fänger im Nass.


Angelgerät

Welse können mit diversen Methoden gefangen werden: Spinnfischen, Vertikal- und Ansitzangeln sind die am häufigsten verwendeten Techniken. Ich möchte in diesem Artikel nur auf ein paar wenige Aspekte der Angeltechnik eingehen. Grosse, alte Welse haben mit Bestimmtheit ihre Erfahrungen gemacht und meiden verdächtige Montagen. Das «Singen» gespannter Stellruten im Wind ist ein Garant, keine grossen Fische zu fangen. Also müssen wir uns etwas einfallen lassen, diese Störgeräusche zu vermeiden! Da Welse elektrisch sensibel sind, soll sich möglichst wenig Metall im Köderbereich befinden. Deshalb wähle ich lieber nicht allzu grosse Haken.

Auch auf Bleie verzichte ich seit vielen Jahren und verwende nur noch Stein- und Betongewichte. Für den erfolgreichen Fang kapitaler Welse braucht man ohne Wenn und Aber solides Gerät. Jede Komponente muss härtesten Belastungen standhalten. Karabiner stellen selbst in Thunfischstärke eine unnötige Schwachstelle dar. Also weg damit! Je einfacher eine Montage, umso effizienter ist sie für Grosswels.


Faktoren Zeit und Glück

Selbst wenn man alle begünstigenden Faktoren erfüllt, ist der Riesenwels noch längst nicht garantiert. Die Grossen sind nicht nur misstrauisch, sondern eben auch dünn gesät. Tausende von mittleren und kleinen Exemplaren kommen auf einen einzelnen 2,5+ Meter Wels. Wer einen solchen Gegner bezwingen will, muss bereit sein, sehr viel Zeit und Geduld zu investieren. Und neben dem Optimieren relevanter Fangfaktoren braucht es eine gehörige Portion Glück, dass der Riese überhaupt beisst und sicher gelandet werden kann. Es versteht sich von selbst, dass diese seltenen Grossfische mit gebührendem Respekt und Sorgfalt behandelt und wieder freigesetzt werden. In dem Sinn wünsche ich Euch Waller­aficionados viel Durchhaltewillen und Petri Heil bei der Grosswelsjagd.

 

1 Kommentare


Mark Schlecht

02 | 06 | 2025

Toller Bericht. Nicht alles ist übertragbar auf die Gewässer, aber vieles hat seine Bestimmtheit.


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