


11 | 02 | 2025 | Reisen | ![]() | ![]() |
11 | 02 | 2025 | Reisen |
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Der Berner Roland Brunner bereist seit vielen Jahren Neuseeland regelmässig mit einem Motorhome. Dabei hat er unzählige Orte und Fische gesehen. Eine dieser Geschichten teilt er hier mit uns.
Woran denkt man in der Schweiz, wenn man von grossen Forellen spricht? Vielleicht an eine schöne Aare-Forelle oder eine dicke Seeforelle vom Neuenburgersee? Kiwis denken an die Kanäle rund um den Lake Tekapo und haben dabei eine andere Dimension von grossen Forellen im Kopf als wir. Am Eingang zur Razza Bar in Twizel begrüsst mich ein Schild «Welcome to the Razza, home oft the world record Browntrout – 44 lbs.». Und wirklich, da an der Wand hängt sie: ein gut zwanzig Kilo schwerer Sumo-Ringer von Forelle. Wie kommt es, dass hier auf der Südinsel Neuseelands im trockenen Landesinnern der Provinz Canterbury Salmoniden wie von einem anderen Planeten leben?
Twizel liegt rund 300 Kilometer südwestlich von Christchurch in hoher Lage. In den späten 1960er-Jahren entstand hier ein weitläufiges Kanalsystem zur Stromerzeugung. In diesen glasklaren Wassergräben werden zugleich Lachse gezüchtet, so in der «Mt. Cook Salmon Farm». Im Hintergrund ragt der namengebende 3724 Meter hohe Mount Cook, der höchste Berg Neuseelands, gerade noch sichtbar auf.
Die Kanäle sind bis zu 60 Meter breit und zwischen sechs und acht Meter tief. Ein grosser Teil von Neuseelands Stromversorgung stammt aus dieser Region und deckt den Bedarf von rund 835'000 Haushalten.
Auf der Südinsel – etwa viermal so gross wie die Schweiz – leben gerade einmal eine Million Menschen. Insgesamt beheimatet Neuseeland 4,9 Millionen Einwohner auf einer Fläche, die fast siebenmal grösser ist als die Schweiz. Der Befischungsdruck ist entsprechend gering. Doch allein daran liegt es nicht, dass die Fische hier zu wahren Riesen heranwachsen.
Viele der riesenhaften Forellen wirken ungewöhnlich proportioniert. Denn ihre Ernährung hat es in sich: Zwar gibt es auch hier natürliches Futter, doch den entscheidenden Extraschub erhalten sie aus einer weniger natürlichen Quelle. Die Neuseeländer stellten nämlich fest, dass in diesen rund hundert Kilometern Kanälen zwischen Twizel und Tekapo auch Lachse hervorragend gedeihen. Ab der Jahrtausendwende werden hier pazifische Silberlachse und Königslachse gezüchtet. Seither leben die dortigen Forellen wie in einem Schlaraffenland: Sie halten Stellung um die Farmen und fressen Pellets, die durch die Netze fallen. Die gigantischen Forellen sind also quasi ein Nebeneffekt der Lachsfarmen.
Von Zeit zu Zeit brechen Lachse aus den Farmnetzen aus, denn trotz sorgfältiger Wartung entstehen immer wieder Schäden an den Netzen, etwa durch Ratten oder Scheuerstellen. Die entkommenen hungrigen Fische bleiben in Netznähe und lassen sich für einige Tage leicht fangen. Wenn sich ein grösserer Ausbruch herumspricht, kommen Dutzende Fischer von der ganzen Südinsel herbei. Pro Tag dürfen in den Kanälen auch dann nur vier Fische gefangen werden – die Fangverteilung fällt dadurch entsprechend ausgeglichen aus und kaum je geht einer der extra Angereisten leer aus. Die Qualität des hiesigen Lachsfleisches wird besonders gelobt: Ob roh als Sushi oder geräuchert gelten diese Lachse als Delikatesse. In die Schweiz gelangen diese Süsswasser-Zuchtlachse jedoch nicht, denn die Produktion deckt kaum den inländischen Bedarf. Mengenmässig liegt Neuseeland weit hinter grossen Lachsproduzenten wie Norwegen zurück und kann mit diesen Farmen auch nicht verglichen werden.
Und wie geht man diese Riesen an? Sie zu haken ist das eine, sie dann mit einem 18er-Fluorocarbon-Vorfach (Tragkraft etwa 3 kg) in den Feumer zu führen, das andere. Es ist mir tatsächlich gelungen, einige davon zu landen. Aber ganz der Reihe nach. Diese Fische sind nicht nur gross, sondern auch zurückhaltend und scheu. Meine Köderbox erinnert an eine Tüte Fruchtgummis. Es sind dies künstliche Fischeierimitationen: «Glo Bugs» in knalligen Farben mit 4 oder 6 Millimetern Durchmesser. Diese werden an einem langen Vorfach und winzigen Haken der Grösse 14 oder 16 mit der Strömung kanalabwärts gedriftet. «Egg Rolling» nennen die Einheimischen diese Technik. Laut Schrittzähler ging ich dabei an manchen Tagen über 20 Kilometer an verschiedenen Kanalabschnitten auf und ab – mit so feinem Gerät, dass der Köder möglichst natürlich und unverdächtig über den Grund trieb. Erstaunlicherweise ist dies eine der erfolgreichsten Methode für diese Monsterforellen!
Alle 500 bis 1000 Meter wechselt man die Köderfarbe, um herauszufinden, worauf Forelle oder Lachs gerade beisst. Das dünne Vorfach ist dabei essenziell, denn die schnurscheuen Fische verweigern sonst jedes Angebot. Einen gehakten Brocken schliesslich ans Ufer zu bringen, erfordert eine präzis eingestellte Rollenbremse. Auch wenn die schweren Fische selten aus dem Wasser springen, sind die teils endlosen Fluchten kanalauf- und abwärts nicht zu unterschätzen. Zum Glück gibt es hier wenige Hindernisse – nur wenn sie in die Netze der Lachsfarmen schwimmen, ist der Drill meistens vorbei. Das Fangen ist hier definitiv nicht so einfach, wie es in manchen YouTube-Filmen aus Twizel dargestellt wird. «Wow, first cast, a trout of 34 pound!», sieht und hört man da etwa. Mag vorkommen, aber noch viel öfters fischen hier erwartungsvolle Angler tagelang ohne Erfolg und können die raren Bisse nicht verwerten.
Sie hängt nun präpariert an meiner Wand und ist bei jedem Besuch von Anglerfreunden eine Gelegenheit für angeregte Gespräche: eine Regenbogenforelle von 93 Zentimetern Länge und weit über zehn Kilogramm Gewicht. Was für eine Nacht das war! Am 20. Juni 2020 biss sie um 19.45 Uhr in völliger Dunkelheit. Ich stand hüfttief im eiskalten Wasser an einer unsicheren Kante im Deltabereich des Ohau Fluss am Ruataniwha-See. Null Grad, klamme Finger, Nebel waberte über das Wasser. Plötzlich ein gewaltiger Schlag und die Schnur lief ab, «like a train», wie sie hier sagen. Eine kleine, leuchtende Nassfliege hatte den Bissreflex eines der Giganten ausgelöst. Mir blieb fast das Herz stehen, als ich den Fisch schliesslich im Schein der Stirnlampe sah. Nach mehreren Fluchten gelang es mir, ihn irgendwie in den Feumer zu bugsieren.
Wem das Fischen in den Kanälen tagsüber zu eintönig ist, der kann es auch nachts versuchen. Mein Kollege Patrick landete dabei riesige Bachforellen mit dunkel gefärbten und ganz langsam in Ufernähe geführten Gummifischen. In pechschwarzer Nacht beissen die «Brownies» tatsächlich am besten. Allerdings ist das eher etwas für die ganz Verrückten, vor allem im eisigen Winter: Die Finger frieren ein, die Schnur gefriert in den Ringen, man hört nur, wo man ungefähr hinwirft, das vereiste Ufer ist rutschig …
So viel also zur Fischerei an den Kanälen der Rekordforellen. Das ist natürlich etwas ganz anderes als das Anpirschen einer vollkommen wilden Forelle an einem Sommerabend. Dafür fischt man hier in einer einmaligen Landschaft – und vielleicht kannst Du sogar eines der Monster landen. Geschichten zum Erzählen bringst Du von hier so oder so nach Hause.
> manictackleproject.com | Gesammelte Informationen über die Kanäle (auf Englisch)
> mackenzienz.com | Im Fischerladen von Twizel sind Infos, Tackle und Lizenzen erhältlich
> boothysfishingschool.com | Professionelles und umfangreiches Guiding
> twizelfishing.co.nz | Freundliches Guiding zu moderaten Preisen
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