Ein bisschen Wildnis auf dem Teller
03 | 05 | 2019 Praxis | DiversesText & Fotos: Daniel Luther 05001
03 | 05 | 2019 Praxis | Diverses
Text & Fotos: Daniel Luther 0 5001

Ein bisschen Wildnis auf dem Teller

Fario & Maigrün

Das zarte Fleisch der Forelle und der intensive Geschmack von frisch gepflückten Wildkräutern verfeinert durch Butter oder Rahm, sind ein zuverlässiges Rezept für kulinarische Frühlingspoesie.


Nass und glänzend liegt sie vor mir im grünen Gras. Leuchtende rote Punkte und ein dicker gelber Bauch: Augenschmaus und kulinarisches Versprechen.

Eine schöne Fario aus einem wilden Bach ist für den Jäger und Sammler in mir eine wunderbar befriedigende Beute. Zuerst sehe ich mich satt an diesen einzigartigen Farben, dann freue ich mich über das feine Essen, das ich mir mit Glück und Geschick erjagt habe. Es ist ein uralter natürlicher Kreis, der sich so harmonisch schliesst. 
 

Auf Kräuterpirsch

Wann immer ich im Frühling und Frühsommer Musse und Gelegenheit habe, pflücke ich auf dem Heimweg noch einen Strauss frischer Grünbeilagen in der Wiese oder an einem Ackerrand. Im Mai ist die Auswahl an frischem, wildem Grün am grössten. Mit all den Düften und Aromen lässt sich in der Küche viel Erfreuliches anstellen. Die meisten dieser Pflanzen gelten heute interessanterweise als Unkräuter, selbst wenn sie jahrhundertelang begehrte Küchen- und Heilkräuter waren. 

In der Schweiz gibt es mehr als 3000 Arten von Blütenpflanzen. Davon ist ein grosser Teil essbar; ein faszinierender und weitgehend ungenutzter Reichtum. Ich beschränke mich hier auf ein paar Wildkräuter, die weit verbreitet sind und die ich mühelos erkennen kann. Es gibt zwar nur sehr wenige Arten, die wirklich gefährlich giftig sind, aber Risiken, die man mangels Wissen nicht abschätzen kann, sollte man nicht eingehen.
 

Vogelmiere (Stellaria media)

Diese hübsche Pflanze mit den kleinen weissen Blütensternen wächst üppig und rasch. Sie überwuchert weniger vitale Pflanzen und wird deshalb als Unkraut geschmäht. Das ist unverständlich, denn sie ist nicht nur angenehm knackig und geschmackvoll, sondern auch reich an Vitamin C sowie wertvollen Spurenelementen wie Calcium, Kalium, Magnesium und Eisen. Vogel­miere ist eine ideale Grundlage für Wildsalate und eine attraktive Komponente für Kräuterquark und Saucen.
 

Bärlauch (Allium ursinum)

Die ersten aromatischen Blätter erscheinen an geschützten Lagen schon Ende Februar. Sie sind der Inbegriff einer wildwachsenden Delikatesse. Ihr Geschmack verbindet knoblauchige Würze mit grüner Leichtigkeit. Fein gehackt die ideale Würze für Wildkräuterquark und Saucen. Zuviel Hitze lässt die flüchtigen Aromastoffe des Bärlauchs verdampfen. Deshalb bei Pasta, Kartoffeln oder Suppen erst kurz vor dem Servieren beigeben. Das gilt für die meisten Wildkräuter. Kulinarisch noch spannender als die Blätter sind die Knospen und die weissen Blüten. Sie schmecken etwas dezenter, dafür sind sie umso dekorativer.
 

Sauerampfer (Rumex acetosa)

Seine roten Blütenstände sind unverwechselbar. Ebenso der Geschmack der jungen Blätter. Er ist angenehm sauer und frisch und damit eine reizvolle Verfeinerung von Wildsalat, Kräuterquark, Saucen und Suppen. Sauerampfer schmeckt pflückfrisch weitaus am besten. Seine flüchtigen Aromen gehen beim Lagern und Verarbeiten verloren. Der reizvolle saure Geschmack stammt von der Oxalsäure, die in stärkeren Konzentrationen die Niere belasten kann. Als letzter sicherer Erntetag gilt deshalb wie bei der Rhabarber der 24. Juni. Kulinarisch am wertvollsten sind die jungen grünen Blätter und der Stiel. Rot gefärbte Teile der Pflanze sollte man nicht verwenden.
 


Gundelrebe (Glechoma hederacea) 

Dieser bei Bienen und Hummeln beliebte Lippenblütler kommt häufig in trockenen Wiesen und nicht zu intensiv gepflegten Rasenflächen vor. Seine Blätter sind fein gehackt als Gewürzkraut verwendbar. Sie sind pfeffrig scharf und duften nach Minze und Peterli. Sparsam eingesetzt verleihen sie Saucen und Salaten eine raffinierte würzige Tiefe. Die Blüten sind eine attraktive essbare Dekoration. 
 

 
Forelle in der Folie und andere Kräuterlichkeiten

Am intensivsten kommen die Aromen von Fisch und Wildkräutern zur Geltung, wenn man sie zusammen luftdicht einpackt und gart. Ideal sind dafür Forellen von 200 bis 600 Gramm (25 bis 40 cm). Den Fisch legt man auf ein Stück Alufolie, das gross genug ist, um rundherum ein Päckchen zu falten. Vorher füllt man den Bauch der Forelle grosszügig mit Butter und einer Mischung aus fein geschnittenen Wildkräutern wie Bärlauch (Blätter oder Knospen), Sauerampfer, Gundelrebe, Schafgarbe, Taubnessel, Feldthymian usw. Fehlt der Bärlauch, empfiehlt es sich, die Mischung mit fein gehackten Frühlingszwiebeln oder Schalotten anzureichern. Die Forelle wird innen und aussen gesalzen, gepfeffert und mit einem «Gutsch» Weisswein aromatisiert. Dann wird das Päckchen sorgfältig verschlossen und im Ofen bei 200° (Umluft 180°) je nach Grösse des Fischs etwa 20 bis 30 Minuten gegart. Die Forellen sind perfekt, sobald sich die Flossen leicht aus dem Fleisch ziehen lassen. 

 
Wilde, grüne Beilagen

Zur Wildkräuter-Forelle passen Salz- oder Bratkartoffeln und folgende drei Beilagen basierend auf einer Wildkräutermischung aus Bärlauch und Vogelmiere, gewürzt mit Gundelrebe und Sauerampfer sowie je nach Ernte mit weiteren Wildkräutern wie Schafgarbe, Feldthymian, Taubnessel oder Knoblauchrauke.

 
Wildkräuterquark 

250 Gramm Quark und zwei Esslöffel Halbrahm oder Sauerrahm werden vermischt mit der fein gehackten Wildkräutermischung und abgeschmeckt mit Salz, Pfeffer, Zucker und Paprika.

 
Wildkräutersauce

Zwei Esslöffel Butter werden in einer Pfanne erhitzt. Darin wird eine fein gehackte Schalotte oder Knoblauchzehe zusammen mit einer Prise Zucker glasig gedünstet und mit einem Schluck gutem Weisswein abgelöscht. Nach kurzem Erhitzen füllt man auf mit zwei Deziliter Halbrahm und lässt das Ganze kurz aufkochen. Dann schraubt man die Hitze zurück und lässt die Sauce einige Minuten köcheln, bis sie sämig ist. Erst jetzt kommt eine Handvoll fein geschnittene Wildkräutermischung dazu. Die Sauce wird mit Salz, Pfeffer und Paprika abgeschmeckt.

 
Frühlingskräutersalat 

Dafür mischt man als knackige Basis fein geschnittenen Eisberg- oder Kopfsalat mit Vogelmiere, jungen Löwenzahnblättern, Bärlauchknospen oder -blüten und würzt mit Sauerampfer und Gundelrebe. Dazu passt eine Sauce aus Rapsöl, Kräuteressig, Senf und Honig.

Petri Heil und en wilde Guete!

 

Zeichnungen: Annalea Luther

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