Egli [– Erfolgsmodell aus der Urzeit]
29 | 03 | 2019 DiversesText: Nils Anderson 06319
29 | 03 | 2019 Diverses
Text: Nils Anderson 0 6319

Egli – Erfolgsmodell aus der Urzeit

Fisch des Jahres 2019

Der Egli ist ein bemerkenswerter Bewohner unserer Gewässer. Er ist auch ein nicht zu unterschätzender wirtschaftlicher Faktor und sorgt in der Angel-Literatur für wenig Einigkeit.


Der Fisch des Jahres 2019 hätte seine Auszeichnung schon viel früher verdient, schliesslich sind die ersten Verwandten des Egli schon im Tertiär, also dem Erdzeitalter, welches auf das Aussterben der Dinosaurier folgte, aufgetaucht. Der Egli in seiner heutigen Form dürfte vor etwa 23 Millionen Jahren in Europa aufgetaucht sein. Die Barschartigen (Perciformes), zu denen unser Egli gehört, haben eine mannigfaltige Anpassung an die vielfältigsten Lebensräume und ökologischen Nischen hinter sich. Und so zählt die weitläufige Verwandtschaft des Egli etwa 8000 Arten rund um den Globus. Insbesondere die Buntbarsche sind eine besonders entwicklungsfreudige Art. Allein im afrikanischen Viktoriasee zählte man vor 50 Jahren noch um die 500 verschiedene Buntbarscharten. Zum Vergleich: In ganz Europa finden sich knapp 200 Fischarten. Die Grundform der Barsche mit der markanten, zweigeteilten Rückenflosse und dem robusten Schuppenkleid ist im Wesentlichen gleichgeblieben. Da gab es in den letzten paar Millionen Jahren wenig Verbesserungs­potenzial.
 

Der Fischer und der Egli

Ein erfolgreicher Tag beim Eglifischen hat manchen von uns nachhaltig mit dem Fischervirus infiziert. Und wer am See mit dem Fischen beginnt, der hat mit dem Fang des ersten Egli auch automatisch seinen ersten rechten Fisch gefangen. Was dem Meerfischer die Makrele oder der Hering ist, ist uns der Egli, und so haben unsere Fischer-Sternstunden meistens mit Eglischwärmen im Fressrausch zu tun. In solchen Fällen geraten wir Fischer genauso ins Fieber wie die jagenden Egli; mit zittrigen Fingern lösen wir die Fische vom Haken und wollen ja keine Zeit verlieren. Es kann schliesslich vorkommen, dass bei zehn Würfen mit dem Wobbler zehnmal ein Egli einsteigt und danach für den ganzen Tag fertig ist. Sieht die Eglifischerei zuweilen wie ein Kinderspiel aus, kann sie kurz darauf schon fast zur unlösbaren Aufgabe werden, wie Max Piper bereits 1967 bildhaft festhielt: «Hat man gar das seltene Glück, am Platze zu sein, wenn er einen seiner beliebten Angriffe auf die gedrängten Scharen der Kleinfische durchführt, dann kann man ihm alles anbieten, was durch irgendeine Bewegung auch nur eine Spur von Leben vortäuscht, er wird sich wie wahnsinnig darauf stürzen. Zu allen anderen Zeiten aber ist er sehr vorsichtig und misstrauisch, und es kommt dann sehr darauf an, ihn mit viel List und Tücke dennoch zu übertölpeln.» 
 

 Der Egli ist ein Schwarmfisch. Einzig sehr alte Exemplare neigen zu Einzelgängertum. © André Suter

Der Egli ist ein Schwarmfisch. Einzig sehr alte Exemplare neigen zu Einzelgängertum. © André Suter

 
Wirtschaftliche Bedeutung

Auch wenn der schnöde Regenwurm immer noch zuverlässig Egli fängt, mitunter auch wirklich grosse (meinen ersten 40+-Egli fing ich mit Wurm auf Grund), so muss doch mitunter die hochgezüchtete Finesse-Fischerei ran, um noch den einen oder anderen Egli zu überlisten. Immer wieder gelingen gute Fänge nur mit einem spezifischen Gummifisch-Modell, was in der Folge zu Hamsterkäufen führt, und oft genug ist ein Köder sehr schnell wieder «out», was schnell zu einer Ansammlung eines ganzen Arsenals an Gummifischen führt (auch ich habe über 40 verschiedene Modelle in meiner Egli-Tasche). Es scheint manchmal, als ob Eglischwärme ein kollektives Gedächtnis hätten. Dank diesem teils sehr wählerischen Verhalten ist der Egli für die Fischereiartikel-Geschäfte also ein besonderer Glücksfall. 

Aber auch jenseits vom Angelhaken ist der Egli ein wirtschaftlicher Faktor. In den Lebensmittelgeschäften werden Eglifilets aus hiesigem Wildfang auch schon mal zu einem Kilopreis von gegen 100 Franken verkauft. Auch wenn in der Schweiz kaum je über 2000 Tonnen Egli gefangen wurden, wie dies der Autor Werner Ladiges für das Jahr 1976 behauptet, so dürfte sich die Menge an Schweizer Egli aus Wildfang noch immer auf jährlich etwa 300 Tonnen belaufen (siehe auch «Petri-Heil» 09/18). Die kommerzielle Zucht boomt hierzulande und Investoren sehen darin ein grosses Potenzial. Mehrere Projekte widmen sich der Zucht von Egli, wie «Petri-Heil» in der letzten Ausgabe berichtete.
 

Langsames Wachstum?

Einig scheinen sich diverse Autoren aus unserer Redaktionsbibliothek bezüglich den Wachstumseigenschaften zu sein. Je nach Gewässer wachsen Egli sehr langsam. In einer Untersuchung in norddeutschen Seen erreichten die Egli durchschnittlich erst im sechsten Lebensjahr die Marke von 20 Zentimetern. Auch in Schweden und England sind fünfjährige Egli durchschnittlich nur 16 bis 18 Zentimeter lang. 

Nichtsdestotrotz liest man aber auch ganz andere Zahlen: Hackstock-Schellenberg (1964) meint, dass die mittlere Grösse bei 600 bis 800 Gramm liege und dass der Egli ein Gewicht von bis zu fünf Kilo erreichen könne. Dies trifft wohl nicht mal auf die allerbesten Egli-Gewässer zu. Selbst in den spanischen Stauseen, wo die Egli sehr schnell abwachsen, werden kaum je Exemplare mit mehr als zwei Kilo gefangen. Auch Werner Ladiges (1979) schreibt dem Egli ein beachtliches Wachstum zu: «Am Ende des ersten Lebensjahres 10 cm, am Ende des 2. mit etwa 17 cm geschlechtsreif.» Ein Egli von 32 Zentimeter dürfte aber selbst in einem günstigen Gewässer durchschnittlich 9 Jahre alt sein. Auf alle Fälle können unsere Egli-Gewässer sicher vorne mitmischen, was die Produktivität und auch die Grösse angeht. Lange geisterte die Rekordmarke von einem sieben Kilogramm schweren Exemplar aus dem deutschen Edersee herum, das 1944 nach einem Dammbruch gefangen wurde. Dabei dürfte es sich aber um einen Zander gehandelt haben, wie auf der Webseite des Edersees zu vernehmen ist. 
 

 Anpassungsfähig und weitverbreitet: Von Spanien bis Russland sind die Egli heimisch (geworden) und kaum zu unterscheiden. Im Bild ein schönes Exemplar aus den schwedischen Schären. © Nils Anderson

Anpassungsfähig und weitverbreitet: Von Spanien bis Russland sind die Egli heimisch (geworden) und kaum zu unterscheiden. Im Bild ein schönes Exemplar aus den schwedischen Schären. © Nils Anderson

 
Vorteil Kleinwüchsigkeit

Dass die Egli gerade in nährstoffarmen Gewässern zuweilen sehr langsam wachsen, ist für die Egli-Population nicht unbedingt ein Nachteil. Diese sogenannte Verbuttung, bei welcher die Egli kaum mehr grösser als 10 Zentimeter werden (und in dieser Grösse bereits fort­pflanzungsfähig sind), hat einen gewichtigen Überlebensvorteil für die Population. Die knappen Ressourcen lassen sich so auf mehrere Tiere verteilen, womit das Fortdauern der Population wahrscheinlicher wird. Verbessern sich die Bedingungen, können sich die kannibalischen Instinkte plötzlich bei einigen Exemplaren einstellen: So finden sich in Gewässern, in denen die Egli sehr langsam abwachsen immer wieder grosse und entsprechend schnell wachsende Exemplare. So beschreibt es C. W. Schmidt-Luchs im Blinker-Sonderheft Barsch: «Unter Zehntausenden von Barschen entsteht plötzlich in einem Fisch ein Wachstums-Beschleunigungseffekt. Das passiert so meistens um das vierte Lebensjahr. Ganz unvermittelt finden diese Barsche Gefallen daran, die eigene Brut zu fressen. Sie verschlucken dabei bis zu 18 Zentimeter lange Vettern!»
 

Unterschiedliche Egli-Typen?

Auf Wikipedia findet man die Auflistung von drei unterschiedlichen Egli-Typen, die auf Muus (1978) zurückgeht und in der Folge von anderen Autoren übernommen wurde: «1. Den kräftig gefärbten Krautbarsch, der sich zwischen den Pflanzenbeständen der Uferregion aufhält. 2. Den heller gefärbten ‹Jagebarsch›, der die Freiwasserregion bewohnt. 3. Den dunklen Tiefenbarsch, der bis in 50 m Tiefe vorkommt.» Die letzte Behauptung steht ziemlich alleine da: Vom dunklen Tiefenbarsch kann man anderweitig nur wenig in Erfahrung bringen. Hackstock-Schellenberg behauptet, dass der Egli Tiefen über 20 Meter meiden würde, was auch wieder nicht der Wahrheit entspricht. Im Angler-Lexikon hingegen steht: «Sehr gern steht er in grösserer Tiefe.» Die Probe-Befischung des Vierwaldstättersees durch das «Projet Lac», bei welcher Fische auch in sehr grossen Tiefen vermutet wurden, hat keine Egli in den Tiefen festgestellt (was wohl auch mit dem Zeitpunkt der Probe­fischungen zusammenhängen dürfte). Hört man sich bei den Berufsfischern am Zürichsee um, bestätigen diese Eglifänge im Winter in Tiefen von 30 Metern und mehr. Bilder von dunkel gefärbten Tiefenbarschen sind mir keine bekannt, hingegen habe ich schon dunkel gefärbte Exemplare in flachen, moorigen Gewässern fangen können. 
 

Eigene «Besatzpolitik»

Der Egli ist dank seinem Laichverhalten ein Pionierfisch mit eigener, ganz pragmatischer «Besatzpolitik». Es kam und kommt immer wieder vor, dass Wasservögel die klebenden Laichbänder des Egli in ihrem Gefieder in neue Gewässer transportieren. So kann auch nicht wirklich von autochthonen Eglistämmen gesprochen werden, und ein Egli aus dem Genfersee unterscheidet sich nicht wesentlich von einem Egli aus dem Zürichsee. Dies im Unterschied zu den vielen Felchenarten unserer Gewässer, auf die gerne hingewiesen wird. Der Egli ist jedenfalls ein anpassungsfähiger und opportunistischer Fisch, nicht nur, was den Lebensraum betrifft, sondern auch was sein Zusammenleben angeht. 

Einig sind sich die Autoren in der Tatsache des Einzelgängertums grösserer Egli, wobei auch diese These nicht unbedingt stimmt. An Schweizer Seen ist es bekannt, dass Fische zumindest um die 40 Zentimeter noch Schulen bilden. So ist im Bielersee die Rede von einem ominösen Gross-Egli-Schwarm von ziemlich kapitalen und weitgehend unfangbaren Exemplaren. Auch aus dem Zürichsee sind mir Sichtungen (und auch Fänge!) von Rehlig-Schulen bekannt. 
 

 Weitläufige Verwandtschaft: Vom argentinischen Perca ... © Nils Anderson

Weitläufige Verwandtschaft: Vom argentinischen Perca ... © Nils Anderson

 ... über den berühmt-berüchtigten Nilbarsch ... © Olivier Portrat

... über den berühmt-berüchtigten Nilbarsch ... © Olivier Portrat

 ... bis zum auch bei uns ansässig gewordenen Sonnenbarsch, der ursprünglich aus Nordamerika stammt. © André Suter

... bis zum auch bei uns ansässig gewordenen Sonnenbarsch, der ursprünglich aus Nordamerika stammt. © André Suter

 
Universal-Fisch

Der Egli sei der Helikopter unter den Fischen, ein Alleskönner. Es gibt grössere, schnellere und auch kampfstärkere Fische. Doch wo auch immer man auf der Welt fischen geht, die Chance ein Egli oder einen seiner nahen Verwandten zu fangen, ist gross. Zähle ich die von mir gefangenen Arten auf, komme ich auf 13 verschiedene Barschartige: Bluegill, Crappie, Egli, Kaulbarsch, Largemouth-Bass, Perca, Pumpkinseed (Sonnenbarsch), Rockbass, Smallmouth-Bass, Walleye, Yellow Perch und Zander. 

Eine letzte Frage, die uns auf der Redaktion immer wieder umtreibt und die ich Euch gerne mit auf den Weg gebe, ist diejenige nach dem grammatischen Geschlecht des Egli: Heisst es jetzt «der» oder «das» Egli? Eindeutig ist diese Frage nicht zu beantworten, auch wenn viele der weiteren Namen des Egli wie Rehlig, Kretzer, Barsch, Schratz, Butz und Bürstling grammatisch männlich sind und somit auf «den» und nicht auf «das» Egli verweisen.


Quellen:

  • Gerstmeier, Roland & Romig, Thomas (2003):
    Die Süsswasserfische Europas. Für Naturfreunde und Angler. Franckh-Kosmos, Stuttgart.
  • Hackstock-Schellenberg, Franz (1964):
    Die Süsswasserfische Mitteleuropas und ihr Fang.
    Albert Müller Verlag, Rüschlikon.
  • Hochleithner, Martin (2003):
    Barsche. Biologie und Aquakultur. AT Ratgeber, Kitzbühel.
  • Ladiges, Werner & Vogt, Dieter (1979):
    Die Süsswasserfische Europas. Paul Parey, Hamburg.
  • Muus, Bent J. (1978):
    Süsswasserfische Europas. BLV, München.
  • Piper, Max (1967):
    Der vielseitige Angler. Verlag J. Neumann, Neudamm.

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