Die richtige Übersetzung bei Spinn- und Multirollen
08 | 12 | 2025 Praxis 0236
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Die richtige Übersetzung bei Spinn- und Multirollen

Die Übersetzung einer Angelrolle entscheidet am Wasser darüber, wie sich ein Köder führen lässt, wie schnell lose Schnur aufgenommen und wie ermüdungsfrei geangelt werden kann. Welche Übersetzungen eignen sich für die verschiedenen Angeltechniken? Robin Melliger ordnet für uns diese eher technische Thematik verständlich und praxisnah ein.


Mit «Übersetzung» ist das Verhältnis gemeint, wie oft sich der Rotor (bei Spinnrollen) oder die Spule (bei Multirollen) pro 360 Grad Umdrehung der Kurbel dreht. Oft anzutreffende Werte sind etwa 5,2:1, 6,2:1 oder 7,1:1. Eine höhere Zahl bedeutet eine höhere Einholgeschwindigkeit. Diese Angabe ist nützlich, beschreibt aber nur einen technischen Teil. Für die tatsächliche Geschwindigkeit am Wasser ist wichtiger, wie viel Schnur pro Umdrehung real auf die Spule kommt. Dieser Schnureinzug wird in Zentimetern pro Kurbelumdrehung angegeben und ist bei den meisten Rollenherstellern in den Details enthalten. Dieser Wert hängt nicht nur von der Ratio, sondern auch deutlich vom Spulendurchmesser und vom aktuellen Füllstand der Spule ab. Beispielweise kann eine mittelgrosse und voll befüllte Spule bei gleicher Ratio deutlich mehr Schnur aufnehmen als eine kleinere und halbgefüllte Spule. Dies zeigt auf, weshalb zwei Rollen mit identischer Übersetzung sich unterschiedlich schnell anfühlen können. In der Praxis lohnt es sich deshalb, zusätzlich auf die Herstellerangabe zum Schnureinzug zu achten und diese mit der Rollengrösse abzugleichen. Diese Geschwindigkeit wird bei Shimano und Daiwa jeweils mit Buchstaben wie XG oder XH (Extra Highgear) angegeben.

 

Spinnrolle und Multirolle im Vergleich

Multirollen nehmen lose Schnur schnell auf und bieten eine konstante und direktere Verbindung zum Köder, was besonders bei wechselnder Führung hilfreich ist. Multirollen (inklusive Baitcaster) vermitteln eine Direktkraftübertragung zwischen Kurbel und Spule. Dies führt zu einem spürbar höheren Drehmoment beim Kurbeln unter Last. Wer stark wasserverdrängende Köder benutzt und diese zügiger bewegen möchte oder in starker Strömung angelt, empfindet diesen mechanischen Vorteil der Multirolle gegenüber der Spinnrolle oft als angenehm. Die Wahl zwischen beiden Systemen ist keine Frage von «richtig oder falsch», sondern eine Abwägung zwischen Komfort, gewünschtem Kraftgefühl und Einzugsgeschwindigkeit in Kombination mit Köderwiderstand.

 

Die verschiedenen Anwendungen

 Multirollen vermitteln eine direkte Kraftübertragung zwischen Kurbel und Spule, weshalb sie gerne beim Werfen grosser Köder bevorzugt werden. © André Suter

Multirollen vermitteln eine direkte Kraftübertragung zwischen Kurbel und Spule, weshalb sie gerne beim Werfen grosser Köder bevorzugt werden. © André Suter


Bei schnellen Führungen – wenn Geschwindigkeit Priorität hat

Bei schnellen Führungsarten wie bei der Topwater Fischerei, schnellen Twitchen oder beim Jiggen (vor allem im Salzwasser) entsteht oft lose Schnur. In solchen Momenten ist es hilfreich, sie mit wenigen Kurbelumdrehungen aufnehmen zu können, um wieder Spannung herzustellen. So kommen die Anschläge bei diesen schnellen Techniken auch direkter durch. Bei gängigen Rollen haben sich Einzugswerte im Bereich von etwa 85 bis 100 Zentimetern pro Kurbelumdrehung bewährt, was je nach Spulengrösse häufig Übersetzungen um 6,0:1 bis 6,4:1 entspricht. Grundsätzlich gilt: Je grösser die Rolle, desto mehr Schnureinzug pro Umdrehung.


Bei langsamen Führungen – Kontrolle, Tiefe, Ruhe im Lauf

Beim Jiggen, Faulenzen oder langsamen Leiern verschiebt sich der Fokus von Tempo auf Kontrolle. Hier wirkt ein moderater Schnureinzug oft harmonischer, weil sich der Köder länger im Zielgebiet aufhält. Spinnrollen ermöglichen bei Einzugsbereichen um 70 bis 85 Zentimetern pro Kurbelumdrehung ein ruhiges, mittleres und vielseitiges Arbeiten. Multirollen mit moderaten Übersetzungen liefern in solchen Szenarien ein angenehmes Drehmoment, das den Arm entlastet und gleichmäs­sige Bewegungen erleichtert. Das niedrigere Tempo unterstützt die Tiefen- und Bodenkontrolle, was insbesondere bei Kanten, Stufen oder in kaltem Wasser vorteilhaft ist. Man ist jedoch immer noch in der Lage, schnell Schnur aufzunehmen, falls nötig.


Bei höherem Köderwiderstand – Masse bewegen

Wenn hohe Einzüge mit starken Köderwiderständen kombiniert werden, steigt der Kraftaufwand pro Umdrehung merklich. Das kann die Kontrolle negativ beeinträchtigen und zu schnellerer Ermüdung führen. Voluminöse Gummifische, schwere Swimbaits oder tieflaufende, breit schaufelnde Crankbaits erzeugen hohen Wasserwiderstand. In diesen Situationen ist eine Kombination aus ausreichendem Hebel und moderater Übersetzung meist sinnvoll. Viele Rollenhersteller verfügen auch über Power-Gear Versionen, welche mit einem stärkeren Getriebe und niedrigeren Übersetzungen ausgestattet sind. So kann ein stabiler Lauf mit Werten im Bereich von etwa 70 bis 80 Zentimetern pro Kurbel erreicht werden. Grosse Köder lassen sich so deutlich leichter durchs Wasser bewegen. Multirollen spielen bei Verdrängungs-Ködern ihre Vorteile mit moderaten Übersetzungen aus. In Verbindung mit einem langen Kurbelarm und einer niedrigeren Übersetzung entsteht ein günstiger Hebel, der den Widerstand «weich» macht, ohne dass der Lauf unruhig wird. Das Zusammenspiel aus Einzug, Hebel und Köderwiderstand ist hier wichtiger als die Ratio allein.

 

Abnutzung und Haltbarkeit

Eine hohe Übersetzung, die dauerhaft gegen hohen Köderwiderstand oder Strömung arbeitet, erhöht die Belastung auf das Getriebe, die Lager und Kurbelachse. Das bedeutet nicht, dass hohe und schnelle Übersetzungen grundsätzlich im Nachteil sind, sondern dass sie sinnvoll eingesetzt werden sollten. Eine den Umständen abgestimmte Übersetzung und ein etwas längerer Kurbelarm reduzieren die notwendige Kraft pro Umdrehung und schonen langfristig das Getriebe. Regelmässige Pflege, insbesondere nach Salzwasserkontakt, ist ohnehin unumgänglich.

 Damit die Rolle stets wie geschmiert läuft, hilft regelmässige Pflege. © André Suter

Damit die Rolle stets wie geschmiert läuft, hilft regelmässige Pflege. © André Suter


Fazit

Eine gute Auswahl gelingt, wenn zunächst das Haupteinsatzfeld klar ist. Oft benötigt man unterschiedliche Rollen, falls man an einem Tag mit verschiedenen Techniken fischt oder sich die Bedingungen wie z. B. die Strömung verändern.

  • Bei führungsintensiven, schnellen Techniken ist ein höherer realer Einzug hilfreich, um lockere Schnur sofort aufzunehmen und Reaktionsbisse direkter zu verwerten.

  • Bei tieferen, ruhigeren Führungen und spürbar arbeitenden Ködern sorgt ein niedriger Einzug für gleichmässigen Lauf, entspannte Bewegungsabläufe und bessere Kontrolle in der Tiefe und ist geräteschonender.

  • Wer häufig grosse Köder bewegt, profitiert von Übersetzungen mit mehr Drehmoment und von grösseren Spulen, die ausreichend Einzug liefern.

Als Faustregel hat sich bewährt, zuerst den gewünschten Schnureinzug pro Kurbelumdrehung zu bestimmen, diesen mit der Rollengrösse zu verknüpfen und erst dann die angegebene Ratio in die Entscheidung einfliessen zu lassen.


 

Kurzübersicht

 

Einzug pro Kurbelumdrehung

 

Topwater, schnelles Twitchen, «Line-Slack» aufnehmen

85 – 100 cm

Grosse/volle Spule hilft; Achtung Ermüdung bei starkem Widerstand

Allround / moderates Jiggen & Leiern

80 – 85 cm

Gute Kontrolle, vielseitig

Hoher Köderwiderstand (Cranks, grosse Swimbaits)

70 – 80 cm

Eher moderat + längerer Kurbelarm für Hebel/Drehmoment

 

 

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