Der Fang ist kein Zufall
22 | 05 | 2017 PraxisText & Fotos: Bernd Kuleisa 05361
22 | 05 | 2017 Praxis
Text & Fotos: Bernd Kuleisa 0 5361

Der Fang ist kein Zufall

Der Atlantische Lachs: Sein Beissverhalten ist ein Mysterium. Doch einige Verhaltensmuster sind auffällig. Und wer diese kennt, der fängt!


Ich stehe an einem Fluss in Norwegen. Hier gibt es Lachse – Atlantische Lachse! Sprungfreudig, silberblank und gross. Meine Fussabdrücke im Ufersand, eben gesetzt, verschwimmen schon wieder, der Fluss steigt schnell, es hat geregnet. Die Einheimischen sagen, jetzt werden die Fangchancen gut. Warum ist das so?

Wann, warum und auf welchen Köder beissen Lachse? Niemand kennt sich bis ins Detail damit aus wie Lachse ticken. Zu viele Ausnahmen, zu viele Erlebnisse, die nicht ins Schema passen. Doch ohne ein Schema ist der Lachsfischer hilflos und neigt nach einigen Tagen ohne Biss zum moralischen Zusammenbruch. Keine Lust mehr zum Fischen, schlechte Laune, wenig Hoffnung…

25 Jahre fische ich auf Lachs und seit gut zehn Jahren betreue ich Fischer, die ihn fangen möchten. Und ich sage Ihnen: Hoffnung gibt es immer!

Wann und warum also beisst der Lachs? Zwei Situationen sind besonders heiss, wir müssen sie kennen.


Frische Aufsteiger

Die besten Chancen bestehen dann, wenn frische Lachse aus dem Meer in unseren Pool aufsteigen. Mit «frisch» meint der Lachsfischer, dass die Fische silberblank sind und zielstrebig vom Meer zu den Laichgründen unterwegs sind. Unser Pool bietet dem Fisch die Chance, sich auf diesem Weg ein wenig auszuruhen. Je wohler sich der Fisch hier fühlt, desto länger bleibt er. Man spricht von einem so genannten Holding-Pool.

Noch anhaftende Meerläuse sind typische Kennzeichen für einen Lachs, der vor wenigen Tagen noch im Meer lebte. Solche Fische sind besonders begehrt: Frische ist ein Gütezeichen. Je silberner der Lachs, desto höher sein Wert für den Fänger. Hier geht es nicht nur um die Optik, sondern auch um die Qualität als Speisefisch. Je blanker, desto feiner schmeckt er.

Wann steigen Lachse frisch auf? Regen hilft – ein steigender Wasserstand im Fluss wird von den Lachsen die im Meer auf ideale Bedingungen warten, wahrgenommen. Sie spüren, riechen und registrieren es mit absoluter Sicherheit. Das ist, um es sec zu sagen, ihr Job. Steigt der Wasserstand weiter und weiter, so schwimmen die Lachse schnell stromauf. Sie sind noch schwer zu fangen. Der Kenner wartet auf den Zeitpunkt, an dem das Steigen stoppt. Jetzt wird es interessant, denn die Lachse spüren dies lange vor uns und stellen sich in den nächsten Pool ein und warten den Fortgang der Situation ab.

Nun sind frische Lachse eingetroffen und sie beissen auf nahezu jeden Köder. Die Traumsituation, die es auszunutzen gilt: Fleissig fischen, nicht aufgeben, auch mal durchbeissen und einige Stunden über die eigene Müdigkeit hinaus am Wasser bleiben. Regen ist umso wichtiger für den Aufstieg, je schmaler und kleiner der Fluss ist. Beispiel: Sogenannte Grilseflüsse bieten nur dann eine Chance, wenn wir Glück mit dem Wetter haben. Aus diesem Grund sind die Patentpreise hier oft günstiger als an grossen Flüssen, an denen man immer mit frischen Fischen rechnen kann, denn: Es steigen selbst dann Fische auf, wenn es nicht regnet. Ein Hochwasser ist auch hier ein magischer Moment, aber nicht unbedingt notwendig, um Erfolg zu haben.

Noch eine interessante Beobachtung aus der Praxis. Auch direkt vor einem Hochwasser, also vor einem Starkregen, beissen die Lachse oft gut. Warum? Sie spüren das Unwetter und werden bereits unruhig und aggressiv. Allgemein gilt: Der Beissreflex frischer Lachse ist noch wach, obwohl sie im Fluss die Nahrungsaufnahme einstellen. Ausnahmefälle sind bekannt, sie ändern aber nichts an der allgemein gültigen Tendenz: Je länger sich der Lachs im Fluss befindet, desto weniger interessiert er sich für die Nahrungsaufnahme. Er wird diesbezüglich immer träger und lässt sich nur schwer zu einer Attacke verleiten.


Revierkämpfe

Eine gute Portion Aggressivität schlummert allerdings immer noch in den Fischen. Sie wird mehr und mehr für Revierkämpfe benötigt, also für die Auseinandersetzung mit den Artgenossen. Hier liegt eine weitere Chance für uns Fischer. Je mehr Konkurrenz im Pool, desto mehr Aggressivität untereinander. Positiv für uns wirkt sich aus, dass Lachse Wandersalmoniden sind und immer weiter schwimmen, bis sie die Laichgründe erreichen. Worauf wir hoffen dürfen: Schwimmen ältere, gefärbte Fische in unseren Pool (und dies kann in grösseren Flüssen jederzeit geschehen), entbrennen sofort Platzkämpfe. Der Eindringling ist ein ungebetener Gast. Rivalität entbrennt. Jeder Fisch, jedes vermeintliche Lebewesen kann in solchen Momenten Ziel einer Attacke werden. Eben auch unser Köder, der als «störend» empfunden wird.

Wie erkennen wir die Ankunft neuer Fische im Pool? Durch aufmerksames Beobachten der gesamte Poolfläche. Der klassische Fall: Stundenlang totes Wasser, plötzlich springt hier und dort ein Fisch. Oder es zeigen sich wälzende Fische (head & tail). Oder beides. Unsere Reaktion muss sofort erfolgen. Ran an die Fische!

Noch ein Tipp: Neigt sich die Saison dem Ende zu, so werden die grossen Lachsmännchen (Milchner) immer eifersüchtiger auf ihre Konkurrenten. Jeder Pool wird nun von solchen Fischen beherrscht. Oft lösen die ersten kühlen Nächte den entscheidenden Schub von Aggressivität aus. Fische, die gestern noch jeden Köder ablehnten, nehmen den Blinker und die Fliege nun sofort mit unglaublicher Wucht.

«Frisch aufsteigende Fische bieten die besten Chancen.»
Fazit: Frisch aufsteigende Fische bieten die besten Chancen auf den Traumfisch, den blanken Lachs. Regen hilft immer! Neu ankommende Fische im Pool sind stets ein gutes Vorzeichen. Am Ende der Saison können wir mit besonders bissigen Milchnern rechnen.

Mit dem nötigen Grundwissen fahren Sie eigentlich gut gerüstet zum Lachsfischen. Dort erleben Sie dann aber wahrscheinlich dies: Ein Einheimischer kommt ans Wasser, wirft mit einem uralten Blinker dreimal und hakt den Lachs, den Sie schon mehrfach erfolglos befischt haben. Zufall? Nein! Wahrscheinlich kennt er genau den Hauptstandplatz der Fische in diesem Pool. Sein Wurf war tausend Mal geübt, auf den Zentimeter genau und einfach Routine.

Was lehrt uns das? Nachdem wir gelernt haben, wann, warum und worauf Lachse beissen, gilt es eben noch zu beachten, wo sie beissen. Jeder Pool hat solche Stellen. Guides kennen diese Plätze. Wer auf eigene Faust fischt, muss genauer hinschauen, Erfahrungen sammeln, sich mit Freunden austauschen. Finden Sie den Hotspot in Ihrem Pool. Erfolg ist eben – auch beim Lachsfischen – selten Zufall!

 Bernd Kuleisa mit einem Lachs von 17 Pfund, gefangen in der Gaula in Norwegen. Hier steigen die Fische selbst dann auf, wenn kein Regen fällt.

Bernd Kuleisa mit einem Lachs von 17 Pfund, gefangen in der Gaula in Norwegen. Hier steigen die Fische selbst dann auf, wenn kein Regen fällt.

 Guter Wasserstand nach starkem Regen. In kleineren Lachsflüssen ist das für den Erfolg von entscheidender Bedeutung.

Guter Wasserstand nach starkem Regen. In kleineren Lachsflüssen ist das für den Erfolg von entscheidender Bedeutung.

 Schöner blanker Frischaufsteiger mit sechs Pfund Gewicht. Eine orange Tubenfliege bewährte sich als Köder.

Schöner blanker Frischaufsteiger mit sechs Pfund Gewicht. Eine orange Tubenfliege bewährte sich als Köder.

 Eine Meerlaus, die noch nicht abgefallen ist. Dieser Lachs ist also ganz frisch aus dem Meer aufgestiegen.

Eine Meerlaus, die noch nicht abgefallen ist. Dieser Lachs ist also ganz frisch aus dem Meer aufgestiegen.

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