[Verzasca-Tal:]<br/>Der Charme der wilden Flüsse
21 | 03 | 2024 SchweizText: Nils Anderson | Fotos: Sereina Battaglia & Nils Anderson 01275
21 | 03 | 2024 Schweiz
Text: Nils Anderson | Fotos: Sereina Battaglia & Nils Anderson 0 1275

Verzasca-Tal:
Der Charme der wilden Flüsse

Ein phantastischer Flusslauf in einer umwerfenden­ Kulisse und mit richtig heiklen Fischen drin. «Petri-Heil»-Redaktor Nils Anderson hat sich an den Verzasca-Forellen die Zähne ausgebissen und ist trotzdem dem Zauber der Tessiner Frühlings­fischerei erlegen.


Es ist Vorfrühling im Tessin, als ich für einmal nicht mit der Angelrute unterwegs bin und zusammen mit meiner Familie eine kleine Wanderung im Verzascatal beschliesse. Beim Parkplatz lasse ich es mir nicht nehmen und schaue von der hohen Brücke hinunter in ein riesiges Becken der Verzasca. Ich schaue und schaue und zähle und zähle. 12 Fische kann ich von dieser Brücke hinab ausmachen!

Unterwegs dem Fluss entlang kann ich immer wieder Forellen erspähen und muss entsprechend aufpassen, dass ich nicht vom Wanderweg stolpere. Wir gehen an hunderten interessanten Spots vorbei; schöne Züge, tiefe Rinnen, Pools, umströmte Steine, alles, was das Fischerherz sich an Bachstrukturen wünscht, ist im Übermass vorhanden. Fischen kann ich an diesem Tag aber nicht: keine Rute, kein Patent, keine Zeit.

 Obwohl der Fluss bei unserem Besuch Hochwasser führt, kommt er noch immer kristallklar daher.

Obwohl der Fluss bei unserem Besuch Hochwasser führt, kommt er noch immer kristallklar daher.


Touristenmagnet Verzasca

Einen Monat später kehren wir deswegen ins Verzascatal zurück. Es hat in der Vorwoche endlich wieder einmal geregnet und so ist die Luft klar und frisch, und überall drückt jetzt das frische Grün aus den Ästen und aus dem Boden. Das Patent haben wir gleich nach dem Gotthardtunnel im SBB-Büro in Airolo geholt, und unsere Unterkunft, ein kleines, einfaches Rustico keine hundert Meter vom Flussbett entfernt, haben wir nach kurzer Suche im Internet gefunden.

Landschaftlich gehört das Verzascatal mit zu den allerspektakulärsten Abschnitten der Schweiz. Eng aufeinandergetürmt reiht sich ein Berggipfel an den anderen, die Hänge fallen fast senkrecht in kleine, kaum erreichbare Seitentäler, aus welchen das Wasser über zahllose Wasserfälle in die Verzasca fliesst. Und während in vergangenen Zeiten das Leben in dieser abgelegenen Gegend vor allem entbehrlich und karg war und zu einer grossen Abwanderung führte, hat sich dies heute grundlegend verändert. Im Sommer wird das Tal von so vielen Touristen besucht, dass die Zufahrtsstrasse zeitweise geschlossen werden muss und gerade um Lavertezzo herum­ wimmelt es an schönen Tagen förmlich von Besuchern, welche das Tal und den Fluss auf unterschiedlichste Arten in Beschlag nehmen. Wer also in den üblichen Ferienzeiten oder an einem Wochenende unterwegs ist, muss sich die Abschnitte mit Picknickern, Badenden und Hunden teilen.

 Am Oberlauf der Verzasca oder am Nebenfluss Osura ist es weniger gefährlich als weiter unten. Hier ist das Fischen auch mit Kind auf dem Rücken vertretbar.

Am Oberlauf der Verzasca oder am Nebenfluss Osura ist es weniger gefährlich als weiter unten. Hier ist das Fischen auch mit Kind auf dem Rücken vertretbar.


Topstellen, wo man hinblickt

Es ist bereits Abend, als ich mich dann mit der Rute auf den Weg mache. Wie üblich an einem neuen Gewässer beginne ich zuerst mal aufs Geratewohl an der erstbesten Stelle. Dies ist in der Regel zwar wenig erfolgversprechend, es hilft aber, das Fischerfieber so zu drosseln, dass ich nachher auch Gespräche führen kann, ohne nach zwei Sätzen wieder mit Gedanken am Wasser zu sein. Und vor allem kann ich am nächsten Tag mit einem Plan etwas strukturierter und ruhiger vorgehen.

Ausgestattet mit selbstgebundenen Fliegen von «Petri-Heil»-Mitarbeiter Daniel Luther mache ich mich also hinter einem Stein so geruhsam wie möglich ans Werk und fische in der Zeit, die mir verbleibt, aus der Deckung heraus das Wasser um mich herum ab. Die Dunkelheit nimmt schnell zu und wo ich hinschaue, sehe ich verlockende Läufe, was mich hastiger fischen macht, als mir lieb ist. Mein Feumer bleibt an diesem ersten Abend trocken, aber noch sind ja zwei Tage vor mir.

Am nächsten Tag fahren wir hoch nach Brione und steigen in die Osura ein. Es ist ein wolkenverhangener Tag und es regnet leicht. Wir haben diesen Nebenfluss ganz für uns alleine. Doch was ich auch versuche, es bleibt bei einer einzigen kleinen Forelle. Ich hadere mit meinem Können und meinem Wissen. Eigentlich stimmt alles, so kann ich Steinfliegen und andere Insekten an den Steinen ausmachen und finde deren perfekte Imitation – zumindest meiner Meinung nach – in meinen Schachteln. Und ich bin gut im Rhythmus, bewege mich schön defensiv im Schutz grosser Steine, doch die Tessiner Forellen haben kein Einsehen mit mir. So fische ich eine absolute Top-Stelle nach der anderen, ohne dass irgendetwas passieren­ würde. Irgendwann verliere ich den Faden, verzichte auf die Deckung und das fleissige Justieren meiner Montage und klettere schliesslich geschlagen zurück auf die Strasse.


Mittlerweile regnet es immer mehr und es soll die ganze Nacht anhalten.

Ich male mir Top-Bedingungen für den nächsten Tag aus. Angetrübtes Wasser mit haufenweise eingeschwemmter Nahrung! Ich erinnere mich an die Berichte meines Redaktionskollegen Erich Bolli: Die heimischen Fischer würden sich vor allem auf Tage mit perfekten Bedingungen konzentrieren und dann im Sichtschutz der Wassertrübung mit dem Wurm an der Tipprute so richtig zuschlagen. Nicht von ungefähr liege die Tagesfanglimite im Tessin noch immer bei unfassbaren 10 Forellen.

 Der Lohn nach langem Tüfteln und Probieren: eine wunderschön gezeichnete Verzasca-Forelle.

Der Lohn nach langem Tüfteln und Probieren: eine wunderschön gezeichnete Verzasca-Forelle.


Glasklares Hochwasser

Am nächsten Morgen herrscht schönes Wetter, es ist ein prächtiger Frühlingssonntag. Und tatsächlich ist das Wasser höher, gut die Hälfte mehr kommt herunter als noch am Vortag, doch von einer Trübung keine Spur, nur etwas mehr Laub ist im Wasser. Ich versuche mein Glück etwa drei Kilometer oberhalb von Lavertezzo und nach ein paar Anpassungen am Nymphenmenü gelingt es mir, die ersten Bisse zu verzeichnen. Glänzendes Dunkelgrün ist die Erfolg bringende Farbe.

Ab sofort vergehen die Stunden wie im Flug, ich klettere und kraxle über die Steine und muss mich immer wieder bremsen. Mehr als einmal fische ich an einer Stelle, wo ein Fehltritt weit üblere Folgen als eine gefüllte Wathose mit sich gebracht hätte. Nicht umsonst wird am Wegrand immer wieder auf die Gefahren des Flusses hingewiesen.

Zum Abschluss versuche ich gleich unterhalb des Rusticos ein Rückwasser, welches ich von unten, halb über einen Stein gelehnt, anwerfe. Die Nymphe wird unter den grossen Felsen neben mir gespült und die Schnur bleibt stehen. Anhieb – und tatsächlich gute Gegenwehr! Am Schluss liegt eine 32 Zentimeter lange Bachforelle in meinem Feumer und die Freude übertrifft die Masse des Fischs bei weitem. Geht doch!


Fischer-Info

Touristenpatente sind erhältlich bei den Tourismusbüros sowie den Fischereigeschäften.

  • 2-Tageskarte CHF 60.– (keine Eintageskarten),
  • 7 Tage CHF 120.–

Die Patente sind gültig für alle Gewässer des Kantons Tessin. Alle wichtigen Angaben finden sich im abgegebenen Fischereibüchlein.

Die Fangstatistik muss retourniert werden.

 

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